Mittwoch, 16. März 2016

Landesbibliotheksgesetz NRW in der Ersten Lesung im Landtag

In seiner 108. Sitzung wurde am 16. März 2016 im Landtag von NRW der Entwurf eines Landesbibliotheksgesetzes der Fraktion der CDU (Drucksache 16/11436) in Erster Lesung behandelt.

Für die einbringende Fraktion stellte der Abgeordnete Thomas Sternberg (CDU) den Gesetzentwurf vor. Er ging zunächst auf den kulturpolitischen Hintergrund ein, der in NRW durch das in dieser Legislaturperiode verabschiedete Kulturfördergesetz (KFG) als einem spartenübergreifenden Gesetz geprägt ist. Sternberg kritisierte, dass das Gesetz viele Fragen offen gelassen habe und fand, dass kulturpolitische Grundentscheidungen ins Parlament gehören. Das gelte vor allem für die Bibliotheken als die am meisten frequentierte Kultureinrichtung im Land.

Das Bibliotheksgesetz soll das KFG durch strukturelle und rechtliche Aussagen ergänzen. Vier Punkte hob Sternberg besonders hervor: Die Weiterentwicklung von Öffentlichen Bibliotheken zu so genannten „Dritten Orten“ als explizierten Förderschwerpunkt, die Initiierung einer Landesspeicherbibliothek, um den durch die Digitalisierung sich vollziehenden Medienwandel in den Bibliotheken in kulturstaatlicher Verantwortung zu begleiten, die Einbeziehung der wissenschaftlichen Bibliotheken an den Hochschulen in das Konzept für eine landesweite bibliothekarische Versorgung und die Aufgabenerweiterung des Hochschulbibliothekszentrums zu einem Landesbibliothekszentrum, das für wissenschaftliche wie öffentliche Bibliotheken gleichermaßen zuständig sein soll.

Für die SPD begrüßte der Abgeordnete Andreas Bialas die Vorlage, weil sie Anlass gibt, über Bibliotheken, die für ihn „demokratierelevant“ sind, zu diskutieren. Für ihn bleibe es jedoch fraglich, ob man neben dem KFG noch ein eigenes Spartengesetz haben müsse. Auch müssten die Auswirkungen eines Bibliotheksgesetzes auf andere Gesetze bedacht werden (etwa auf das Archivgesetz oder das Hochschulgesetz), was aber schon im Bibliotheksgesetz angelegt sei, das ja als Artikelgesetz eingebracht wurde. Entscheidend werde die Frage sein, ob man für die bibliothekspolitischen Themen, die das Gesetz anspricht, eine gesetzliche Bestimmung brauche oder ob eine Richtlinie ausreichend sei. Das vorgelegte Gesetz enthalte neue Aspekte und gebe viel Stoff für eine Diskussion. Bei der Förderung kirchlicher Bibliotheken war Bialas wichtig, Qualitätsanforderungen zu stellen. Fragen der Gebühren sollten nicht gesetzlich geregelt werden. Das Thema Digitalisierung solle künftig im Kulturförderplan auf der Grundlage des KFG behandelt werden. Bialas betonte, dass man sich in vielen Punkten inhaltlich einig sei, deutete aber an, dass das meiste wohl schon im KFG geregelt wird.

Der Abgeordnete Oliver Keymis (Grüne) findet den Vorstoß der CDU gut und interessant, meinte aber, dass viele Aussagen schon im KFG drin seien. Er stellte die Rolle von Bibliotheken als „Medienanlaufstellen“ sowie als interkulturelle Lernorte heraus. Über Details müsse man im Ausschuss reden. Ausführlich sprach Keymis noch das Thema der Sonntagsöffnung von Bibliotheken an, das zwar bundesgesetzlich zu regeln sei, aber von der CDU in Berlin doch stimuliert werden könne. Bibliotheken sollten sonntags nachmittags oder abends geöffnet werden, weil man sie als Orte aufsuche wie Museen oder Theater. Bibliotheken seien keine bloßen Ausleihstellen wie etwa Videotheken, am Sonntag nicht offen sein sollten. 

Für die FDP ging die Abgeordnete Ingola Schmitz zunächst auf das KFG ein, das praktisch keine Impulse für die Landeskulturpolitik gebracht hätte. Sie begrüßte die Initiative für ein Bibliotheksgesetz im Grundsatz, auch weil es einen Impuls aus der Zeit der schwarz-gelben Regierung aufgreift. Schmitz mahnte jedoch eine angemessene finanzielle Ausstattung an. Sie hoffe, dass das eingebrachte Gesetz in dieser Frage einen positiven Prozess in Gang bringt.

Für die Fraktion der Piraten ging der Abgeordnete Lukas Lammla sehr lobend auf den Aspekt des Dritten Ortes ein. Er stellte jedoch die Frage, ob dieses Thema nicht auch für andere Kultureinrichtungen relevant sei und daher vielleicht besser in das KFG gehöre. Schließlich betonte er noch die große politische Bedeutung von Bibliotheken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auch und gerade in den gegenwärtigen Herausforderungen bei der Integration von Flüchtlingen.

Für die Landesregierung sprach die für Kultur zuständige Ministerin Christina Kampmann (SPD). Sie bezeichnete Bibliotheken als Orte der Zukunft; sie gehören zur kulturellen Grundversorgung. Nach Kampmann stehen Bibliotheken wie keine andere Einrichtung für das Konzept einer „Kultur für alle“. Moderne Bibliotheken seien multimediale Kommunikationszentren und offene Räume für die Begegnung mit Menschen. 

Sie kritisierte im Gesetzentwurf der CDU ein veraltetes Bibliotheksbild, denn es würden nur Zukunftsperspektiven genannt, ohne dass ein Weg dorthin aufgezeigt werde. Zudem bekomme die Lippische Landesbibliothek auch ohne eine gesetzliche Regelung Geld vom Land. Insgesamt lasse der Entwurf der CDU neue Impulse vermissen. Man solle sich darauf konzentrieren, das Kulturfördergesetz umzusetzen.

Fazit
Über die Parteigrenzen hinweg gab es eine positive Grundstimmung. Die Redner der Mehrheitsfraktion haben die durch das KFG im Bibliothekswesen gesetzlich zementierte Spartentrennung durchgängig ausgeklammert, die man als bibliothekspolitischen Geburtsfehler dieses Gesetzes bezeichnen kann. Was nützt den Bibliotheken die Berücksichtigung von Digitalisierung im Kulturförderplan, wie sie der Abgeordnete Bialas angesprochen hat, wenn die wichtigsten Einrichtungen in NRW, die wissenschaftlichen Bibliotheken an den Hochschulen nämlich, davon gar nicht profitieren dürfen?! 

Die Ausführungen der zuständigen Ministerin waren streckenweise unverständlich. Es berührt merkwürdig, wenn der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Neues und Diskussionswürdiges im Gesetz entdeckt, die eigene Ministerin aber genau das als veraltetes Bibliotheksbild bezeichnet. Die von ihr aufgestellte Behauptung über den Landeszuschuss an die Lippische Landesbibliothek ist schlicht falsch, denn dieser Zuschuss ist seit 1948 (!) gesetzlich geregelt, wie man in der eingebrachten Drucksache auf S. 28 nachlesen kann. 

Abgesehen von der kenntnisfreien Status-quo-Rhetorik im zweiten Teil der Rede der Kulturministerin war die Erste Lesung ein politischer Gewinn für die Bibliotheken in NRW. Die Themen des Gesetzentwurfes sind nach dem einhelligen Urteil der Fachpolitiker aller Fraktionen relevant und gut gewählt. Man darf auf die Anhörung und die weitere Diskussion gespannt sein.