Sonntag, 12. Februar 2017

Das Internet, ein Parasit

Der kulturelle Reichtum des Internet ist parasitär. Er beruht zu einem Großteil auf der medialen Stabilität und generationenübergreifenden Sammlung materieller, besonders gedruckter Erinnerungsträger, die jetzt in digitaler Form zugänglich gemacht werden. 

Ob das Internet selbst mit eigenen Inhalten einen solchen Reichtum künftigen Generationen wird weitergeben können, ist eine mehr als offene Frage, die leider viel zu wenig Aufmerksamkeit erfährt. 

Dass aber die entschiedenen Freunde des Digitalen nicht selten eine manchmal sogar aggressive Verachtung des Analogen und seiner Sammlung und Pflege zum Ausdruck bringen, wird man vor diesem Hintergrund nur mit sehr großem Wohlwollen als etwas uninformiert bezeichnen können. 

Genauso naiv und unmöglich aber ist eine Position, die angesichts der Fragilität des Digitalen in einem vermeintlich sicheren Hafen analoger Medien ihre Zuflucht nehmen will.  

Deprimierend ist bei alledem, dass über eine angemessene Ökologie des kulturellen Erinnerns im digitalen Zeitalter nachzudenken, im Getöse lustvoll erzählter Dystopien buchaffiner Maschinenstürmer und apokalyptischer Untergangsvisionen der Gutenbergalaxis, mit denen sich einige Digitaleuphoriker interessant machen, als esoterische Spielerei weltfremder Theoretiker gilt.

Bleibt zu hoffen, dass bald die Zeit einer entspannten Postdigitalität anbricht, in der man nicht mehr in jedem update einen Messias erwartet oder einen Weltbrand imaginiert, sondern die Dinge und die Daten ganz einfach als das nimmt, was sie sind, nämlich gleichberechtigte Ausdrucksformen kultureller Inhalte mit je eigenen Stärken und einem je eigenen Recht auf Dauer, Sammlung, Bewahrung und Pflege.