Samstag, 11. Februar 2017

Seminararbeiten als Monographie

Heute morgen lag mit einem roten Eilstreifen versehen und zur Bereitstellung für den hiesigen Lehrkörper bestimmt eine kleine DIN-A5 Broschüre eines süddeutschen Verlages, der auf den Vertrieb von studentischen Arbeiten spezialisiert ist, im Neueingang.

Das 15 gezählte Seiten umfassende Werk ist eine Hauptseminararbeit der HU Berlin. Das Literaturverzeichnis enthält vier (!) Angaben.

Der Homepage des Verlages ist zu entnehmen, dass die Arbeit mit der Note 1,0 bewertet wurde. Immerhin. Auch werden die Gliederung und die Einleitung dem interessierten Leser zur Kenntnis gegeben.

Das Werk kann online für 6,99 € oder via amazon als „Buch“ für 11,99 € bestellt werden. Die gedruckte Fassung ist derzeit in keiner deutschen Bibliothek vorhanden. Das gilt auch für die Deutsche Nationalbibliothek.

Der geschilderte Sachverhalt wirft einige interessante Fragen auf. Kann man eine so wenig verbreitete Arbeit überhaupt als publiziert im Sinne eines Beitrages für die wissenschaftliche Diskussion ansehen? Dass eine urheberrechtliche Veröffentlichung vorliegt, steht außer Frage. Damit ist aber zum Vorhandensein für den wissenschaftlichen Diskurs noch gar keine Aussage getroffen.

Warum interessieren sich Hochschullehrer für studentische Hauptseminararbeiten fremder Hochschulen, dass sie deren Anschaffung für die eigene Lektüre anregen?

Auch wenn man dem Verlag aus Süddeutschland kritisch gegenübersteht, eines darf festgehalten werden: Auf der Homepage wird transparent gemacht, was einen erwartet. Aber ist das auch den bestellenden Hochschullehrern immer bewußt?

Schließlich: Wäre es nicht auch Aufgabe der jeweiligen Hochschule, für wirklich gute studentische Arbeiten eine eigene (Online-)Publikationsmöglichkeit anzubieten?

(Der Beitrag wurde zuerst am 6. März 2009 in meinem damaligen Blog "Skriptorium" publiziert.)