Wenn wir über den medialen Wandel sprechen – über Künstliche Intelligenz, digitale Plattformen oder neue Informationsformate –, geraten wir allzu oft in eine technologische Kurzsicht. Wir fragen: Was ist möglich? Statt zu fragen: Was wollen die Menschen eigentlich damit tun? Die eingangs zitierte These stellt diesem technikverliebten Diskurs ein notwendiges Korrektiv gegenüber: Nicht der Fortschritt an sich treibt die Medienentwicklung, sondern die Art, wie Menschen mit neuen Möglichkeiten umgehen – mit ihrer Neugier, ihren Gewohnheiten, ihren Leidenschaften.
Die Falle der technologischen Perspektive
Die technologische Ebene ist verführerisch, weil sie klar scheint. Man kann neue Geräte vorführen, Algorithmen erklären, Rechenleistungen vergleichen. Doch wer aus diesen Daten ableitet, wie sich Mediennutzung verändern wird, läuft Gefahr, sich zu irren. Die Geschichte ist voller solcher Irrtümer: Weder setzte sich das Faxgerät als Massenmedium durch, noch wurde das Buch vom E-Reader verdrängt. Technologische Potenz allein garantiert keinen kulturellen Erfolg.
Das liegt daran, dass Menschen keine rationalen Maschinen sind, die immer die effizienteste Option wählen. Sie suchen Anschluss an andere, Identität, Unterhaltung – und manchmal einfach Ablenkung. Wer nur fragt, was Technologie kann, verkennt, dass Medien immer auch kulturelle Artefakte sind, die gemocht, verstanden und sozial eingebettet werden müssen.
Die anthropologische Ebene: Medien folgen dem Begehren
Der Mensch folgt seinen Leidenschaften – das ist der Schlüssel zur Mediengeschichte. Der rasante Aufstieg sozialer Netzwerke war kein Triumph der Datenübertragung, sondern der Sehnsucht nach Sichtbarkeit und Teilhabe. Der Siegeszug des Smartphones resultierte nicht aus seiner technischen Raffinesse, sondern aus seiner Fähigkeit, Alltag und Kommunikation zu verschmelzen.
Diese anthropologische Perspektive erkennt: Medien werden nicht primär genutzt, sondern gelebt. Sie sind Erweiterungen unserer sozialen und emotionalen Bedürfnisse. Deshalb lässt sich ihre Zukunft nicht aus technischen Möglichkeiten extrapolieren, sondern nur aus dem kulturellen Kontext heraus erahnen, in dem sie angewandt werden.
Wohin die Reise geht
Wer also verstehen will, wohin sich Medien und Informationsversorgung entwickeln, muss nicht nur wissen, was KI oder Blockchain können, sondern was Menschen damit anfangen wollen. Die entscheidenden Fragen lauten: Welche Routinen erleichtert die Technik? Welche Ängste beruhigt sie? Welche Hoffnungen befeuert sie? Die Technik wird sich durchsetzen, die am besten mit diesen menschlichen Faktoren räsoniert.
So erklärt sich etwa der Erfolg generativer KI nicht allein durch Rechenleistung, sondern durch das Versprechen, komplexe Informationen endlich verständlich, verfügbar und verfügbar auf mich zugeschnitten zu machen. Es ist nicht der technische Sprung, der uns beeindruckt – sondern die Illusion, dass sich Wissen nun endlich ohne Mühe erschließt.
Fazit: Den Menschen verstehen heißt den Fortschritt verstehen
Wir sollten aufhören, Medienentwicklung nur durch die Brille der Technik zu betrachten. Wirklich aufschlussreich wird der Blick erst dann, wenn wir auch den Menschen ins Zentrum rücken: seinen Alltag, seine Affekte, seine Sehnsüchte. Technik allein verändert wenig – erst durch ihre kulturelle Aneignung wird sie wirksam. Oder um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: Nicht die Maschine macht den Fortschritt, sondern der Mensch, der sich in ihr wiederfindet.