In der FAZ vom 21. Januar 2009 hat der Kieler BWL-Professor Joachim Wolf ein paar böse Bemerkungen zum gegenwärtigen System des wissenschaftlichen Publizierens in internationalen Fachzeitschriften geschrieben. Lesenswert!
Wolf kritisiert, dass viele der publizierten Artikel sich auf Spezialstfragen konzentrieren und dass diese Artikel andere Untersuchungen praktisch kaum zur Kenntnis nehmen.
Das freilich erklärt ungemein die für einen an gründliches Arbeiten gewöhnten Buchwissenschaftler oftmals erstaunliche Schlankheit im Fußnotenapparat von wissenschaftlichen Artikeln gewisser Fachgebiete.
Wolf merkt zudem an, dass derart publizierende Wissenschaftler auch kein Interesse an einem Dialog mit der Praxis haben. Praktiker wollen klare Aussagen zu sehr komplexen Fragen und nicht einige Aspektchen zu Spezialproblemen. Sich mit Praktikern zu beschäftigen raube nur Zeit.
„Daher laufen diese Wissenschaftler schnell weg, wenn sich ein Praktiker nähert. Fast so, wie es früher im Baumarkt war, als die Fachberater sich versteckt haben, sobald sich ein fragender Kunde näherte. Diese Wissenschaftler begründen ihr Weglaufen auch damit, weil ihr primäres Ziel in der Akzeptanz ihrer Artikel durch Zeitschriftenherausgeber bestehe. Mit diesen müsse das Gespräch gesucht werden, nicht mit den Praktikern. Das universitäre Anreizsystem verlange es so.“
Nett auch der Hinweis darauf, wie neben der hochspezialisierten Publikationstätigkeit (soll man wirklich ‚Forschung‘ sagen?) die Lehre abgewickelt wird:
„Sie versuchen sich in dieser Situation zu helfen, indem sie ein bekanntes, nicht aus ihrer eigenen Feder stammendes Lehrbuch auswählen, es in eine große Zahl an Powerpoint-Slides umsetzen lassen (!!, Anm. ES) und hernach dann diese Slides und das Lehrbuch vorlesen. Oder sie berichten in ihren Lehrveranstaltungen immer wieder von ihren hochfokussierten Forschungsprojekten und tun so, als ob dies das gesamte, von ihnen zu vertretende Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre sei.“
So gesehen ist es eine Zumutung, wenn in der Bologna-Universität auch noch Anwesenheitspflicht gefordert wird. Ach, selige Zeit, wo man die Vorlesung Vorlesung sein lassen konnte und die wirklich prägenden geistigen Abenteuer in der Bibliothek erlebte.
Nach Wolf ist das Lehrbuchschreiben übrigens eine zweitklassige Beschäftigung. Wer Lehrbücher schreibe, habe das akademische Anreizsystem nicht verstanden.
Quelle: Joachim Wolf: Der schlaue Weg zur Publikation, in: FAZ vom 21. Januar 2009