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Freitag, 17. August 2018

Warum ich eine privat gehaltene wissenschaftliche Zeitschrift gekündigt habe.



Ich habe gestern den Bezug des "Archivs für katholisches Kirchenrecht" beim Schöningh-Verlag gekündgt. Der frühere mittelständische Wissenschaftsverlag aus Paderborn ist mittlerweile ein Imprint des international agierenden Verlagshauses Brill. Das merkt so langsam auch der einzelne Leser ...

Auszug aus meiner Kündigungsmail:
"Vielleicht möchten Sie auch kurz den Grund der Kündigung erfahren. Ich habe das Archiv für katholisches Kirchenrecht, das ich seit 1948 lückenlos vorliegen habe, trotz einer Verlagerung meiner fachlichen Interessen aus alter Verbundenheit noch weiterbezogen, auch weil ich noch einem gewissen bildungsbürgerlichen Ideal anhänge, dass man wissenschaftliche Literatur nicht nur über Bibliotheken nutzt, sondern auch in einer gut sortierten privaten Handbibliothek vorhalten kann. 

Ich muss leider immer öfter feststellen, dass die Preispolitik wissenschaftlicher Verlage den Privatleser offenbar immer mehr ignoriert, ja regelrecht vergrault. Es ist offenbar nur noch der Umsatz mit den Bibliotheken von Interesse. Für die Kultur des geisteswissenschaftlichen Publizierens finde ich diese Entwicklung verheerend. Nun ist das Archiv preislich für Privatbezieher noch so gerade erträglich. Sehr enttäuscht war ich aber, als ich jetzt das aktuelle Heft in Händen hielt, das von der Herstellung nur noch ein recht billiger Digitaldruck aus dem Copyshop ist. Da stimmen für mich Preis und Leistung nicht mehr. Für rund 140 € im Jahr darf ich mehr erwarten. 

Den letzten Ausschlag für die Kündigung meines Abos hat für mich aber die Verlagsankündigung des Nachfolgewerkes des Lexikons des Kirchen- und Staatskirchenrechts gegeben. Kostete das Vorgängerwerk noch gut 60 € pro Band, werden jetzt für das Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht knapp 500 € Subskriptionspreis verlangt. Zum Vergleich: Das zeitgleich neu erscheinende Staatslexikon bei Herder kostet in vergleichbarer Ausstattung pro Band 88 €.

Ich glaube übrigens, dass der Verlag an dieser Stelle die Erwerbungsetats der meisten wissenschaftlichen Bibliotheken maßlos überschätzt. Für dieses Nischenthema werden nur wenige Häuser rund 2.000 € für die geplanten vier Bände auf den Tisch legen. International wird der deutschsprachige Titel sicher auch ein Ladenhüter werden. Den Weg in heimische Bücherregale wird das Werk gewiss nicht finden. 

Wer mir als langjährigem Privatkäufer kirchenrechtlicher Literatur in dieser Form so den Stuhl vor die Tür stellt, hat den Solidaritätsbonus für das fachlich eigentlich nutzlose Abo des guten alten Archivs leider restlos verbraucht. Ich sehe keinen Grund mehr, diese Verlagspolitik mit meinem Geld noch zu unterstützen. Brill ist halt sehr gewinnorientiert. Aber ich mache da nicht mehr mit!"

Freitag, 10. März 2017

Heute im Watch-Blog: publikationsfreiheit.de

In engem zeitlichen Zusammenhang zur Publikation des Referenten-Entwurfes für ein zeitgemäßes, den digitalen Bedürfnissen in in Bildung und Wissenschaft angepasstes Urheberrecht wurde von Verlegerseite die Internetseite publikationsfreiheit.de an die Öffentlichkeit gebracht.

Die Seite, die von der "MVB Marketing und Verlagsservice des Buchhandels GmbH" betrieben wird, tritt unter dem suggestiven und positiv besetzten Begriff der Publikationsfreiheit an, um angebliche Bedrohungen des wissenschaftlichen Publikationswesens durch verschiedene politische Vorhaben wie die Förderung von Open Access oder die Reform des Urheberrechts abzuwehren.

Im Zusammenhang mit der Freischaltung der Seite haben einige Verlage begonnen, ihre Autoren anzuschreiben und sie zur Zeichnung von publikationsfreiheit.de zu ermuntern. Sieht man sich die allerersten Unterzeichner an, so wurde Wert darauf gelegt, gerade Professorinnen und Professoren für die Kampagne zu gewinnen. Es wurde in diesem Blog schon darauf hingewiesen, dass dabei auch grob falsche Angaben über den Inhalt der geplanten Urheberrechtsreform geäußert worden sind. Autorinnen und Autoren hatten so das Gefühl bekommen, sie würden durch die Neuregelungen etwa für elektronische Semesterapparat regelrecht enteignet, was freilich Blödsinn ist.

Gleichwohl (oder gerade deshalb?) war die Kampagne bislang recht erfolgreich. So konnten bis heute 5.129 Unterschriften gesammelt werden.

Interessierte Kreise nutzen diese beeindruckende Zahl bereits für ihre politischen und publizitischen Zwecke. Sie glauben, zeigen zu können, dass die geplante Urheberrechtsreform nicht den Interessen der Wissenschaft dient, wehrt sich diese doch deutlich dagegen. Auf publikationsfreiheit.de kann man es ja nachlesen.

In dieser Woche hat unter der boulevardesken Überschrift "Wie man ein Monstrum nährt" Thomas Thiel der der F.A.Z., die in Urheberrechtsfragen seit geraumer Zeit die unrühmliche Rolle eines tendenziösen Kampagnenblattes spielt, nun auch die Seite publikationsfreiheit.de für sich entdeckt. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem  "Appell für die Publikationsfreiheit, der in der Wissenschaft für Furore sorgt".

Dann wird Thiel konkreter: "Die Allianz der Wissenschaften, die den Reformentwurf enthusiastisch begrüßt, ist geübt darin, jede Kritik als Verlagslobbyismus abzuwiegeln. Wenn sie im Namen von Bildung und Innovationskraft die großzügigen Ausnahmen vom Urheberrecht verteidigt, tut sie das aber nur bedingt im Namen der Wissenschaft. Die mehr als tausend Professoren unter den mehr als viertausend Signataren des Appells sind ein deutliches Zeichen, dass die Allianz auch von vielen Wissenschaftlern nicht mehr als Repräsentantin anerkannt wird, sondern als wissenschaftsferne Elite, die ihr eigenes technokratisches Spielchen treibt."

Wow! Denkt man. Das ist ja unglaublich. Wie kann man nur so gegen "die" Wissenschaft arbeiten?!

Vermutlich war es dem vielbeschäftigen Redakteur einer Qualitätszeitung nicht möglich, sich die Liste der Unterzeichner genauer und vor allen Dingen kritisch anzusehen. Kein Problem. Dafür gibt es ja das Internet. Und so reiche ich gerne ein paar Fakten nach. Ich habe mir nämlich die Seite - ganz konservativ - ausgedruckt und bin ALLE Unterzeichner durchgegangen. Soweit sie Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sind, habe ich ihr biographischen Angaben nachgeschlagen (Wikipedia, Homepage, Kürschners Gelehrtenkalender). Herausgekommen ist ein ziemlich interessantes Bild davon, was genau "die" Wissenschaft ist, die man auf publikationsfreiheit.de findet. 

Das Internet kann man auch ausdrucken!

Es handelt sich um 1.108 Professorinnen und Professoren, wobei Angehörige ausländischer Hochschulen, die von der Urheberrechtsreform in Deutschland ja nicht betroffen sind, nicht gezählt werden. Dafür wurden auch Personen berücksichtigt, die ihren Titel nicht genannt haben, mir selbst aber als Hochschullehrer bekannt waren. Wer zu den "Professoren" zählt, wurde auf Grundlage der Selbstbezeichnungen denkbar weit gefasst. Und so wurden auch die vielen Honorarprofessoren oder Klinikärzte berücksichtigt.

Was war nun das Ergebnis?

Um es in einem Satz zu sagen: Knapp 40 % der Unterzeichner sind "Rentner" (435 Personen). Über 55 % sind älter als 60 Jahre (613 Personen). Lediglich 16 % der Unterzeichner sind jünger als 50 Jahre (180 Personen). 

Das bedeutet, es haben sich mehrheitlich Personen über Open Access und eine digitalfreundliches Urheberrecht geäußert, die damit in der Praxis GAR NICHTS zu tun haben bzw. eine analoge wissenschaftliche Sozialisation durchlaufen haben. Die überwältigende Mehrheit der Professorenschaft, vor allem die jüngere Generation, ignoriert publikationsfreiheit.de. Es besteht überhaupt kein Anlass, wie Thiel des in seinem Beitrag in der F.A.Z. tut, einen auf "dicke Hose" zu machen. Bei Licht besehen, ist die Kampagne ein einziger Misserfolg für die Verlage. Sie erreichen die nachfolgende Wissenschaftlergeneration trotz hübscher Internetseite offenbar nicht mehr.

Es ist auffällig, dass die Unterzeichnungen in Clustern erfolgen, plötzlich finden sich ganz viele Juristen, dann wieder Mediziner, dann kommen die Chemiker, dann die (Sozial)Pädagogen, die Philosophen und die Germanisten. Berücksichtigt man die im Appell engagierten Verlage, so haben wir es hier mit der etwas bejahrten und betagten Autorenschaft von rund einem Dutzend Verlagen zu tun. Für "die" Wissenschaft ist das dann doch etwas dünn.

Geschenkt ist, dass es eine zweistellige Zahl von Doppelzeichnungen gab, die teilweise mehrere Tage auseinander liegen, offenbar eine Reaktion auf mehrere Verlegerbriefe. Erstaunt ist man auch, dass sich berühmte Professoren jenseits der 80, ja sogar jenseits der 90 (selbst?) beteiligt haben.

Geschenkt ist auch, dass die Teilnahme ohne Identitätsprüfung möglich ist, so dass auch ein "Johannes Gutenberg" und "a.k." mitmachen konnten.

Ebenfalls geschenkt ist, dass erstaunlich viele der ansonsten sehr wenigen Studenten, die den Appell unterzeichnet haben, aus Heidelberg kommen ... An diesem "Knochen" können Freunde von Verschwörungstheorien behaglich nagen.

Interessanter ist schon, dass mit Ausnahme von Horst-Peter Götting von der TU Dresden, der als Vertreter sehr verlagsnaher Positionen im Urheberrecht seit vielen Jahren bekannt ist, KEIN EINZIGER renommierter Urheberrechtler unterzeichnet hat. Klar, man will sich angesichts der merkwürigen Faktendarstellung des Appells ja nicht blamieren.

Erwähenswert ist auch, dass die Anzahl der Namen von Mitarbeitern des Thieme-Verlages, die sich unter dem Appell finden, mit rund 140 fast an die Zahl der "U-50-Küken" unter den Professoren heranreicht. Näher untersuchen könnte man auch, warum die jüngeren Professorinnen und Professoren oft von Fachhochschulen und dort aus den Bereichen (Sozial)Pädagogik und Wirtschaft kommen.

Wirklich spannend aber ist etwas ganz anderes. Ich greife noch einmal die Worte von Thiel aus der F.A.Z. auf: "Die mehr als tausend Professoren unter den mehr als viertausend Signataren des Appells sind ein deutliches Zeichen, dass die Allianz auch von vielen Wissenschaftlern nicht mehr als Repräsentantin anerkannt wird ..." Wenn wirklich etwas klar geworden ist, dann dies: Dass die Verlage offenbar den Kontakt zu den jüngeren Hochschullehrern verloren haben und damit Gefahr laufen, massiv ihre Zukunft zu verspielen. Diese Gefahr besteht unabhängig von dem Ausgang der geplanten Urheberrechtsreform.

Politiker lassen sich gerne von Zahlen beeindrucken. 5.000 Namen auf einer Webseite machen was her. Keine Frage. Repräsentativ freilich sind sie nicht. Und von den über 1.000 Professoren bleiben bei Licht besehen ein paar Hundert im aktiven Dienst übrig. Als Kampagne ist publikationsfreiheit.de unwichtig, als Problembeschreibung jedoch alarmierend. Wenn es nicht gelingt, Verlage und ihre Produkte in die digitale Welt von heute einfach und unkompliziert einzubinden, so wie es im geplanten Urheberrecht vorgesehen ist, sieht es düster aus.

Die Lage ist viel zu ernst, um sie den Marketing-Heinis der Verlage oder einem kurzsichtigen Tendenzjournalismus zu überlassen. Hier ist mutige politische Gestaltung gefragt. Im Referenten-Entwurf der geplanten Urheberrechtsnovelle kann man alles Erforderliche nachlesen.


P.S.: Wer es genauer wissen will: Hier gibt es noch einen "Erklärbär" zum Anliegen von publikationsfreiheit.de.

Samstag, 11. Februar 2017

Wissenschaft, Hochschulen und Verlage

Der Wissenschaftsrat hat in Drs. 4594/00 aus dem Jahr 2000 mit dem Titel „Thesen zur künftigen Entwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland“ interessante Aussagen zur Rolle der Hochschulen im künftigen System des wissenschaftlichen Publizierens. 

„In dem Maße, in dem sich elektronische Lehrangebote und Publikationsformen durchsetzen und Information und Wissen von einem knappen zu einem universell verfügbaren und leicht zugänglichen Gut werden, wächst zugleich die Gefahr von Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit. Es kann nach Ansicht des Wissenschaftsrates weder darum gehen, den entstehenden Markt elektronischer Lehrangebote und Publikationen durch ordnungspolitische Maßnahmen zu beschränken, noch darum, die Vielfalt möglicher wissenschaftlicher Lehrmeinungen einzugrenzen. Die Hochschulen und die anderen wissenschaftlichen Einrichtungen werden jedoch künftig in noch stärkerem Maße als bisher dafür Sorge tragen müssen, daß die Standards wissenschaftlicher Qualität in der Öffentlichkeit verdeutlicht und transparent gemacht werden. ... Die besondere Rolle und Verantwortung der öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen schließt Partnerschaften, auch Geschäftspartnerschaften mit Unternehmen der Informations- und Kommunikationsindustrie durchaus nicht aus. Sie ist im Gegenteil die Grundlage solcher Partnerschaften. ... elektronische Publikationsformen haben erst dann Aussicht auf anhaltenden kommerziellen Erfolg, wenn ihre Qualität gesichert ist. Dies kann nur durch die wissenschaftlichen Einrichtungen selbst geschehen, die daher einen wesentlichen Teil der Einkünfte aus kommerziellen Wissensverwertungen erhalten müssen.“ S. 43 f.

Der Wissenschaftsrat geht von einer klaren Rollenverteilung aus: Nicht die Verlage, die Wissenschaft und die Hochschulen garantieren die Qualität. Erst diese Arbeit macht den kommerziellen Erfolg der Verlage möglich.

Die Sache mit den Einkünften wird an anderer Stelle noch einmal thematisiert:

„Wissen wird in viel größerem Umfang als dies in der Vergangenheit der Fall war zu einem kommerzialisierbaren Gut. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollten diese Chance zur Erzielung von Einkünften nutzen.“ S. 40

Verlage und Autoren um 1900 #beef

„Ich kann diese Betrachtung nur schließen, indem ich sage, daß es im Interesse aller betheiligten Kreise, sowohl der Schriftsteller wie Componisten und Verleger liegt, das frühere gute Verhältniß wieder herzustellen und an Stelle der Kampfes-, Friedensrufe ertönen zu lassen, dabei werden alle Theile gut fahren und auf die Dauer auch wieder bessere Geschäfte machen, was dem deutschen Verlagsbuchhandel dringend zu wünschen wäre und wodurch die deutschen Schriftsteller nur gewinnen können.“

Aus: Friedrich Luckhardt: Der deutsche Verlagsbuchhandel an der Jahrhundertwende, 2. Aufl., Berlin und Leipzig 1901, S. 36.

30% Umsatzrendite bei Zeitschriften - ein alter Hut

Gemeinhin wird es als anstößig empfunden, wenn große wissenschaftliche Verlage wie Elsevier Umsatzrenditen von 30% und mehr erzielen. Interessant ist freilich, dass dieses Phänomen nicht neu ist:
„Der durchschnittliche Reingewinn einer Zeitschrift des 18. Jahrhunderts wird auf 30% des Gesamtertrages berechnet ...“

Quelle: Otto Dann, Die Zeitschriften im Rahmen der deutschen Aufklärungsgesellschaft, in: Stolleis (Hrsg), Juristische Zeitschriften : die neuen Medien des 18. - 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1999 (Ius Commune - Sonderhefte ; 128), S. 8. 

Gute Raubkopie - schlechte Raubkopie, oder: Was Verlage sich leisten

2011 habe ich einen kleinen Beitrag in der Festschrift für Norbert Trippen veröffentlicht:

Eine kurze Geschichte der Ausbildung katholischer Theologen in Deutschland, in: Heinz Finger, Reimund Haas, Hermann-Josef Scheidgen (Hrsg.), Ortskirche und Weltkirche : kölnische Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und Zweitem Vatikanum : Festgabe für Norbert Trippen zum 75. Geburtstag. - Köln [u.a.] : Böhlau, 2011 (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte ; 28), S. 899-913.

Wie bei Festschriften üblich, gab es keine Kommunikation zwischen den Herausgebern und den Autoren über Nutzungsrechte. Das ist auch nicht weiter notwendig, weil § 38 Abs. 1 und 2 UrhG sowie § 31 Abs. 5 UrhG hier ausreichende Regelungen enthalten. Danach haben die Herausgeber von mir als Autor für die Dauer eines Jahres ausschließliche Nutzungsrechte für die Vervielfältigung und Verbreitung erhalten. Auf dieser Grundlage konnten die Herausgeber einen Vertrag mit dem Verlag abschließen.

Was dort im Einzelnen vereinbart wurde, muss mich als Autor nicht interessieren, denn im Urheberrecht können nur solche Rechte übertragen werden, über die man tatsächlich verfügen kann: Mehr als das, was ich den Herausgebern eingeräumt habe, kann der Verlag in keinem Fall bekommen.

Mitterweile hat der Böhlau-Verlag angefangen, in Kooperation mit De Gruyter seine Titel auch im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Das betrifft jetzt auch meinen Beitrag: 
http://www.degruyter.com/view/books/boehlau.9783412214128/boehlau.9783412214128.899/boehlau.9783412214128.899.xml.

Darin liegt ein Eingriff in mein Verwertungsrecht aus § 19a UrhG. Das ist nur in Ordnung, wenn der Verlag ein entsprechendes Nutzungsrecht erhalten hat. Ein solches Nutzungsrecht sehe ich erstmal nicht.

Erstes betrifft die 2010/11 erfolgte Rechteübertragung nach § 38 UrhG a.F. NUR die Printnutzung.

Zweitens war auch von den Herausgebern NIEMALS die Publikation als eBook im Internet in Aussicht gestellt worden, so dass auch nach § 31 Abs. 5 UrhG nicht vermutet werden kann, dass diese Rechte ebenfalls eingeräumt worden sind. 

Selbst wenn die Herausgeber in ihrem Vertrag mit dem Verlag etwas anderes vereinbart haben, von mir als Autor hatten sie nicht in ausreichendem Maße Nutzungsrechte erhalten, um diese wirksam an den Verlag übertragen zu können.

Möglicherweise wird der Verlag sich darauf berufen, dass er umfassende Rechte an dem Sammelwerk an sich hat. Mag sein. Aber es gehört zum ganz kleinen Grundwissen im Urheberrecht, dass man zwischen den Rechten am Sammelwerken und den Rechten an den Bestandteilen der Sammlung sauber trennen muss: vgl. Dreier/Schulze, UrhR, § 4, Rn. 4. 

Diese Trennung betrifft auch die Übertragung der Nutzungsrechte an Dritte, die der Urheber des Sammelwerkes ausnahmsweise ohne weitere Rücksprache vornehmen darf, vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 34, Rn. 26: „Die Zustimmung der Urheber der gesammelten Werke wird nur hinsichtlich desjenigen Nutzungsrechts ersetzt, welches sie dem Urheber des Sammelwerkes zuvor bereits eingeräumt hatten. Waren dem Herausgeber ... Druckrechte an einem Beitrag eingeräumt worden [so war es ja hier!, Anm. ES], kann er ohne gesonderte Zustimmung der Beitragsverfasser keine Online-Nutzungsrechte vergeben.“

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Verlag hat da wohl eine Raubkopie ins Netz gestellt!

Und jetzt? Im Grunde habe ich ja nichts dagegen, wenn mein Text gut sichtbar ist. Aber dass der Verlag jetzt auch noch 30€ für den Aufsatz vom zahlenden Leser haben möchte? Das wäre ja fast schon Piraterie.
Man stelle ich nur einmal den umgekehrten Fall vor, dass der Autor vertragswidrig Inhalte in Netz gestellt hätte ...

Als Autor bin ich zunächst einmal sauer. Doch was soll ich machen? Ich könnte den Verlag auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Aber daran habe ich gar kein Interesse, weil ich es schon gut finde, dass mein Text in einer professionellen Umgebung recherchierbar ist. Soll ich das also genehmigen? Ja, vielleicht. 

Aber ich selbst will das Recht zu behalten, meinen Text im Sinne eines gratis Open Access online zu stellen. Sollte ich also den Verlag kontaktieren, die Sache legalisieren und die Open Access Option für mich absichern?

Interessant ist ein Blick auf die Homepage von Böhlau. Dort präsentiert der Verlag seine AGB für die Autorenverträge. Wenn man sich die AGB durchliest, dann klingt das ja gar nicht schlecht. Böhlau darf den Text online vertreiben. Ich selbst kann als Autor nach einem Jahr den Text anderweitig publizieren, auch ins Netz stellen und dabei sogar das Original-Layout des Verlages verwenden. Vom Ergebnis her ist alles prima. Das ist aus Autorensicht eine durchaus vernünftige Regelung.

Aber wie sieht das rechtlich aus? Die AGB von Böhlau müssen wirksam in den Autorenvertrag einbezogen worden sein. In meinem Fall sind da doch erhebliche Zweifel angebracht. Mit dem Verlag hatte ich gar nichts zu tun, und die Herausgeber haben niemals irgendwelche Rechtefragen angesprochen. Es ging immer nur um die Publikation in einem gedruckten Buch. Um mehr nicht. 

So gesehen spricht viel dafür, dass das neue Online-Angebot doch eine Raubkopie ist, wenn auch eine „gute“. Im Ergebnis nämlich hätte ich mit dem Verlag keine andere Vereinbarung getroffen als die, die in den AGB vom Vorlag vorgeschlagen wird.

Was interessant ist: Böhlau vereinbart in seinen AGB etwas, was Verlagsvertreter bei der Diskussion um das neue Zweitveröffentlichungsrecht vehement bekämpft haben. Offenbar sieht Böhlau für sich und sein Geschäftsmodell in einer Zweitpublikation nach einem Jahr kein Problem. Und indem er noch die Nachnutzung des Satzspiegels gestattet - ob er das rechtlich tatsächlich verbieten könnte, sei dahingestellt - geht er über die neue Regelung in § 38 Abs. 4 UrhG noch hinaus.

Am Ende gibt es eine „gute Raubkopie“, die dem Willen aller Beteiligten entspricht. Und wo kein Kläger ist, da ist bekanntlich auch kein Richter ...

(Der Text wurde zuerst am 8. August 2014 auf meinem damaligen Blog "Skriptorium" publiziert.)