Dienstag, 10. Juni 2025

Der wissenschaftliche Bibliothekar als Dienstleister?!

In ihren Beitrag "Das Berufsbild wissenschaftlicher Bibliothekarinnen und Bibliothekare im Wandel" in der Festschrift für Petra Hauke (Strategien für die Bibliothek als Ort, 2017) stellen Marianne Ingold und Ulrike Scholle die beruflichen Perspekiven des wissenschaftlichen Bibliothekars vor. Der Gelehrte als Bibliothekar kommt dabei gar nicht mehr in den Blick und wird bloß noch unter der Frage nach einer "wissenschaftlichen" Tätigkeit gesehen. Dabei ist eine gelehrte Praxis nicht unbedingt mit einer wissenschaftlichen Tätigkeit gleichzusetzen.

Das nun sagen die Autorinnen:

Der Beruf der wissenschaftlichen Bibliothekarin und des wissenschaftlichen Bibliothekars befindet sich in einem starken Wandel, was sich in einem beachtlichen Spektrum von Tätigkeiten wie Forschung und Entwicklung, Bestandsmanagement oder der Entwicklung neuer E-Services zeigt. Ein Berufsbild beschreibt die Elemente eines Berufs wie Vorbildung, Ausbildung, Tätigkeiten, Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten und dient der Abgrenzung sowie der Selbstvergewisserung der Berufstätigen. In Deutschland werden diese Berufe in der Klassifikation der Berufe der Bundesagentur für Arbeit als „hoch komplexe Tätigkeiten“ oder „Führungskräfte“ in den „Medien-, Dokumentations- und Informationsdiensten“ eingeordnet. Ihre Aufgaben umfassen sowohl fachwissenschaftliche als auch organisatorische Bereiche, einschliesslich Fachreferate, Managementaufgaben sowie die Entwicklung neuer Konzepte und Dienstleistungen.

Die Veränderungen im Berufsbild sind wesentlich durch äussere, wirtschaftlich-soziale und technische Umbrüche, insbesondere durch Internet und Digitalisierung, getrieben, die neue Qualifikationen und Serviceentwicklungen erfordern. In Deutschland haben sich die Zugangswege diversifiziert, mit etablierten Bachelor- und Masterstudiengängen, wobei eine nicht-konsekutive Studienfolge mit universitärer Fachstudien- und bibliothekarischer Zusatzausbildung die Regel bildet. Für die Schweiz ist „Wissenschaftliche/r Bibliothekar/in“ keine offizielle oder geschützte Berufsbezeichnung; der Zugang erfolgt üblicherweise über ein Hochschulstudium mit universitärem Masterabschluss oder Promotion, kombiniert mit einem postgradualen Master of Advanced Studies (MAS) in Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschaften. Es gibt verschiedene MAS-Studiengänge mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten und Voraussetzungen, die den ehemaligen „Kurs für Wissenschaftliche Bibliothekare“ ablösten.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo es eine intensive Debatte zwischen wissenschaftlicher Tätigkeit und Verwaltungsaufgaben gab, herrscht in der Schweiz eine pragmatische Einstellung zur eigenen wissenschaftlichen Betätigung. Das überarbeitete Schweizer Berufsbild von 2013, basierend auf dem realen Tätigkeitsspektrum, gliedert die Aufgaben in die Felder Wissenschaft und Forschung, Management und Leitung, Technologie und Innovation sowie Projekte und Spezialaufgaben. Eine deutliche Weiterentwicklung hin zum „Dienstleistungsbibliothekar“ und eine starke Kundenorientierung sind erkennbar. Das Schweizer Berufsbild von 2013 definiert wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare als Personen mit abgeschlossenem Hochschulstudium und vorzugsweise einer bibliothekarischen Zusatzausbildung, bleibt aber hinsichtlich der IT-Kompetenz zurückhaltend.

Die Berufsbezeichnung selbst steht zur Debatte, und es ist unklar, ob „Wissenschaftliche/r Bibliothekar/in“ in Zukunft Bestand haben wird. Entscheidend für die Zukunft des Berufs ist jedoch die Erbringung relevanter Dienstleistungen für die Zielgruppen in der Wissenschaft und ein wertvoller Beitrag zur Informationsgesellschaft.