Samstag, 11. Februar 2017

Die Vorlesung als öffentliche Veranstaltung

In Vorlesungen werden eigene und nicht selten auch fremde Werke verwendet. Um die dabei auftretenden urheberrechtlichen Fragen lösen zu können, ist es wichtig zu klären, ob und inwieweit die Vorlesung eine öffentliche Veranstaltung ist.

Ist die Vorlesung als öffentlich zu qualifizieren, so stellt die Verwendung fremder Werke bei der Gestaltung der eigenen Vorlesung in der Regel eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 Nr. 1 UrhG dar. Konkret geht es um das Vortragsrecht in § 19 Abs. 1 UrhG sowie um das Vorführungsrecht in § 19 Abs. 4 UrhG.

Der Begriff der Öffentlichkeit wird in § 15 Abs. 3 UrhG genauer definiert. Danach ist von Öffentlichkeit jedenfalls dann auszugehen, wenn eine Mehrzahl von Personen, die weder mit dem Vortragenden noch untereinander durch persönliche Beziehungen verbunden ist, das Werk wahrnimmt. 

Auch wenn der Kreis der Vorlesungsteilnehmer sich in der Regel auf die immatrikulierten Studierenden in einem konkreten Studiengang beschränkt, werden Vorlesungen, da sie regelmäßig jedermann zugänglich sind, als öffentliche Veranstaltung angesehen, vgl. von Ungern-Sternberg, in: Schricker, UrhG, 3. Aufl., § 15, Rn. 81.

Die Nutzung fremder Werke im Rahmen der Vorlesung greift daher in das Verwertungsrecht der öffentlichen Wiederabe ein und muss entweder besonders lizenziert oder auf eine urheberrechtliche Schranke gestützt werden.

Als Schranke für den Hochschulbereich kommt insbesondere das Zitatrecht in § 51 UrhG in Betracht. Zu beachten ist hier aber, dass das zitierte Werk eigene Ausführungen nicht ersetzen darf und dass eine eigene Auseiandersetzung mit dem fremden Werk stattfindet. Zudem ist nach § 63 UrhG die Quelle anzugehen.

Im Rahmen des Zitatrechts dürfen auch fremde Bilder verwendet werden. Hier ist aber darauf zu achten, dass tatsächliche eine geistige Auseinandersetzung mit dem verwendeten Bild stattfindet. Bloße Illustrationen werden vom Zitatrecht nicht gedeckt. 

Weiterhin ist zu beachten, dass Zitate aus einem konkreten Werk nicht so umfänglich sein dürfen, dass sich der Erwerb des Originalwerkes erübrigt.

Verständliche Einzelheiten zum Zitatrecht gibt Haupt, Urheberrecht in der Schule, München 2006, S. 41-48.

Eine Vorlesung ist also eine öffentliche Veranstaltung. Die Nutzung fremder Werke im Rahmen einer Vorlesung stellt eine öffentliche Wiedergabe dar. Gleichwohl ist die Einordnung der Vorlesung als öffentliche Veranstaltung insoweit differenziert zu sehen, als die wohl h.M. beim Vortrag eigener Werke im Rahmen einer Vorlesung grundsätzlich nicht von einer Veröffentlichung im Sinn von § 6 Abs. 1 UrhG ausgeht, vgl. Katzenberger, in: Schricker, aaO, § 6, Rn. 13.

Das hat zur Konsequenz, dass ein eigenes wissenschaftliches Werk, das in einer Vorlesung dargeboten und innerhalb dieser Veranstaltung zur Diskussion gestellt wird, als noch nicht veröffentlicht gilt. Dem Urheber als Vortragenden verbleibt damit das Recht aus § 12 UrhG, den Inhalt seines Werkes exklusiv öffentlich mitzuteilen. 

Sinn dieser differenzierten Bestimmung des Öffentlichkeitsbegriffs ist es, die für den Wissenschaftsbereich wichtige akademische Diskussion zu ermöglichen, ohne sofort für den Vortragenden negative urheberrechtliche Konsequenzen und Rechtsverluste zu bewirken, vgl. Katzenberger, aaO, Rn. 10.

Die Vorlesung ist also eine öffentliche Veranstaltung, aber mit Blick auf den Vortrag eigener, noch nicht publizierter Werke eine besondere.

(Der Beitrag wurde 2008 zuerst auf meinem damaligen Blog "Wissenschaftsurheberrecht" publiziert.)