Hier sind an erster Stelle die exorbitant gestiegenen Preise für wissenschaftliche Zeitschriften zu nennen, die dazu geführt haben, dass Bibliotheken als wichtige Käufergruppe weggebrochen sind.
Auch der private Buchkauf ist stark rückläufig, was u.a. daran liegt, dass zu wenig auf lesbare Qualität geachtet wird. Im Gegensatz zu früheren Zeiten bricht geistewissenschaftlichen Büchern daher das Publikum weg. Manche Verlage reagieren darauf, dass sie vermehrt Handbücher und Einführungen publizieren, Werke, die überdies gerne von Bibliotheken gekauft werden, was bei ohnehin bestenfalls stagnierenden Buchetats die Krise des klassischen geisteswissenschaftlichen Buches nur noch verschärft.
Interessant ist auch die Kritik am goldenen Weg von Open Access, bei dem die Gefahr gesehen wird, dass das für die Literaturversorgung zur Verfügung stehende Geld nun zwar nicht mehr für Abonnements, jetzt aber in vergleichbarer Höhe für die Publikation von Zeitschriftenbeiträgen ausgegeben wird. Die kritische Lage bei den Büchern wird sich so nicht entspannen, vielleicht sogar - als unbedachter Kollateralschaden - noch verstärken.
Generell problematisch finden die Autoren die mit Druckkostenzuschüssen subventionierte Publikationskultur, die zu Veröffentlichungen ohne Rücksicht auf die Leser führt. Wissenschaftliches Publizieren nähert sich so der vanity press an.
Im Ergebnis plädieren beide Autoren für weniger Bücher höherer Qualität.
Nach der Lektüre des Beitrages bleibt ein gewisses Gefühl der Unzufriedenheit. Denn die Autoren lassen sich zu wenig auf den gerade stattfindenden medialen Wandel ein. Es ist überhaupt nicht ausgemacht, dass das Format der umfangreichen geisteswissenschaftlichen Monographie den zunehmend auch in den Geisteswissenschaften digital arbeitenden Menschen auf die Dauer gleich wichtig sein wird.
Es kann durchaus sein, dass kleinere Formate wie Blogs und kurze Arbeitspapiere eine halbherzige Buchpublikation, der sicher auch Hirschi und Spoerhase keine Träne nachweinen werden, ersetzen kann. Sehr ernsthaft nachdenken sollte man auch über die Dissertation, die in nicht wenigen Fällen nur eine umständlich verpackte und aufgeblähte These ist. 100 Seiten, originell und gut und elektronisch, können auch reichen. Dafür sollte man lieber bei der Habilitation die große Monographie verbindlich fordern. Hier besteht nämlich im Gegensatz zum Promotionswesen die begründete Hoffnung auf weniger Bücher in höherer Qualität.
Ein weiterer Punkt, der Vertiefung verdient, ist die Anschaffungspolitik der Bibliotheken, die immer mehr auf leichte und nutzerfreundliche Kost (Handbücher, Einführungen) setzen. Hier könnte man fragen, ob es nicht gerade Aufgabe der Fachreferenten vor allem in den Geisteswissenschaften sein sollte, aktuelle Debatten aufmerksam zu verfolgen und einen intellektuell anregenden Bestandsaufbau zu pflegen. Langfristig könnte das für die Leser besser sein, als die Zeit in irgendwelchen pseudo-aktuellen Projekten zu verplempern.
Auch wenn hier der Aufsatz von Hirschi und Spoerhase vielleicht etwas zu wenig visionär ist, in einem Punkt verdient er 100%ige Zustimmung: Das Urheberrecht ist NICHT das Problem, dient es doch vor allem dazu, die für das geisteswissenschaftliche Buch verheerende Geschäftspolitik einiger weniger Großverlage abzusichern. Dass sich gerade kleine Mittelständler, erkläre Liebhaber des klassischen Buches sowie "Professoren aus Heidelberg" bei Liberalisierungen der für die Wissenschaft geltenden Schrankenbestimmungen immer wieder als schrille Mahner und Warner aufschwingen, ist völlig unverständlich. Sie sind im Grunde nur nützliche Idioten, die den Großverlagen, die ihnen im Erwerbungsetat der Bibliotheken auch noch das letzte Wasser abgraben, willig die Schaufel reichen.
Eine korrigierende Anmerkung: Die Autoren stellen vergleichend die Situation in den USA und in Frankreich dar, weil es hier im Gegensatz zu Deutschland bessere Untersuchungen über die Publikationswirklichkeit in den Geisteswissenschaften gibt. In diesem Zusammenhang wird, offenbar als Anspielung auf § 52a UrhG behauptet, dass in den USA „scannende Unidozenten“ nicht der Grund "für die Nachfragekriese" bei den geisteswissenschaftlichen Büchern sind, weil es das "amerikanische Copyright" verbiete, "den Studierenden digitale Ausschnitte aus geschützten Werken zur Verfügung zu stellen." Das ist falsch. Der "teach act" von 2002 erlaubt sogar eine weitergehende digitale Nutzung als § 52a UrhG.
Im Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen der beiden Autoren kann man die Behauptung, § 52a UrhG sei ein Problem für den Buchabsatz, endgültig in das Reich der Märchen verbannten. 52a UrhG ist vielmehr eine Chance, dass Studierende bestimmte Bücher überhaupt noch zur Kenntnis nehmen. Man nennt das die Schaffung von Nachfrage. In anderen Zusammenhängen heißt so etwas "Wirtschaftsförderung". Nur im Urheberrecht soll das eine "Enteignung" sein??
Nach der Lektüre des Beitrages von Hirschi und Spoerhase fällt man auf diesen Trick hoffentlich nicht mehr herein.
Quelle: Caspar Hirschi, Carlos Spoerhase: Die Gefährdung des geisteswissenschaftlichen Buches : Die USA, Frankreich und Deutschland im Vergleich, in: Merkur 69 (2014), H. 788, S. 5-18.