Der amerikanische Literaturwissenschaftler Jon Thiem hat einen interessanten Aufsatz über Bibliotheksbrände als sinnvolle kulturelle Anmnesie geschrieben.
Einige Äußerungen in diesem Aufsatz helfen, die Akteure des Heidelberger Appells besser zu verstehen. Ihre Aktion gegen das digitale Zeitalter hat einen Grund, nämlich Unsicherheit und Angst. Wir hatten das schon, nämlich beim Unbehagen der Gelehrten beim Aufkommen des Buchdrucks:
"Die typographische Revolution eröffnete eine Welt bald im Überfluss vorhandener, gedruckter Texte, die in deutlichem Kontrast zur Buchknappheit in der mittelalterlichen Kultur stand. Dieser Umschlag wurde von den Gebildeten als beunruhigend empfunden. In ihren Reaktionen ähnelten sie manch zeitgenössischen Denkern, die durch die um sich greifende Ausweitung von Wissen mittels des Internet einen Verlust an Kontrolle und intellektueller Autorität fürchten."
S. 36
Thiem geht auch auf GoogleBook ein und die dadurch entstehende universale digitale Bibliothek:
"Auch sie (diese unversale Bibliothek, Anm. ES) wird ein Mythos werden. Aus diesem Grunde werden Ideologen und Sektierer auf sie aufmerksam werden, die aus unterschiedlichen Motivationen heraus das zu zerstören suchen, was sie als Geist und Nervensystem der Cyberkultur ansehen."
Thiem spricht hier von "apokalyptischen Bibliophilen". S. 42 f.
Interessanter Text. In dem Sammelband hat übrigens auch Uwe Jochum publiziert (Vernichten durch Verwalten : der bibliothekarische Umgang mit Büchern) und natürlich sehr kritisch über die anstehende Digitalisierung räsoniert – ein apokalyptischer Bibliophiler halt ...
Quelle: Jon Thiem: Die Bibliothek von Alexandria brennt - wieder und wieder, in: Verbergen. Ueberschreiben. Zerreissen: Formen der Buecherzerstoerung in Literatur, Kunst und Religion. Hg. Koerte und Ortlieb. Berlin 2007, S. 31-45.