Samstag, 11. Februar 2017

Raubleser sind Verbrecher

Neulich war ich in einem Laden der Buchhandlung Th. und habe dort ein sehr interssantes Werk mit einem etwas komplizierten Titel entdeckt.

Gerade vom Schwimmen kommend, hatte ich weder Papier noch Bleistift zur Hand. Als höflicher Mensch wollte ich keine Umstände machen und ging daran, zwei bibliographisch relevante Seiten aus dem Buch mit dem Handy zu fotographieren. Das war ein schlimmer Fehler ...

Gleich nach der ersten Aufnahme wurde ich sehr deutlich von Mitarbeiterin, die dafür ein laufendes Kundengespräch unterbrochen hat, angesprochen und zurechtgewiesen. Derartige Aufnahmen hätten zu unterbleiben! Dies sei ein Verstoß gegen das Urheberrecht und könne ernste Konsequenzen haben. 

Weia!

Auf meinen Einwand, dass besagte Aufnahmen als Privatkopie durchaus zulässig seien, wurde das Gespräch mit dem Hinweis, dass sie, die Verläuferin, dies besser wisse als ich, auf einen gewissen Endpunkt gebracht.

Tja ...

Ich habe mich zunächst nur so eingelassen, dass ich - durchaus mit späteren Erwerbsabsichten - nur die bibliographischen Daten aufnehmen wollte und nichts zum Notieren dabei hätte. Aber die Verwendung spezifischer buchkundlicher Terminologie erzielte in der Buchhandlung Th. nicht die erhoffte, das weitere Gespräch auflockernde Wirkung.

Also ein Versuch, die Sache mit der Urheberrecht aufzuklären: Privatkopie, wir können ja mal gemeinsam ins Gesetz gucken, etc.

Ulkig noch der Hinweis, ich solle mal in die Bibliothek gehen, dort könne man auch nicht so einfach ... Doch, sagte ich. - Glaube ich nicht - Dürfen Sie aber - Es ging hin und her.

Erwartungsgemäß waren die Argumente aber schnell verbraucht. Man entschied sich zur Flucht nach vorne: „Wir wollen das aber nicht!“

Nun, dann will ich das hier auch nicht kaufen. Und das 98-€-Buch ins Regal gestellt. Die Geschäftsbeziehung mit Buchhandlung Th., wo man noch nicht einmal mehr bibliographieren darf, ist beendet. 

Es ist schon sehr unhöflich, einem Kunden, der sich für ein durchaus teures und bei einer Übersetzung aus dem Altkatalanischen (!) auch ungewöhnliches Werk ernsthaft interessiert, derart bestimmt gegenüber zu treten. Und wenn dieser Kunde als Grund für sein Handeln auch noch die Erfassung der bibliographischen Daten angibt, dürfte jeder Mitarbeiter, der ein Mindestmaß an innerer Beziehung zur Ware Buch hat, diesen Kunden ernst nehmen und nicht besserwisserisch abkanzeln. Bei Th. scheint das mit der inneren Beziehung zum Thema Buch wohl ein Problem zu sein ...

Eines lernt man daraus: Die Buchhändlerin guckt wohl viele DVDs und hat die ulkige Werbung „Raubkopierer sind Verbrecher“ gut verinnerlicht. 
Als Raubleser werde ich mir andere Jagdgründe suchen müssen. 

(Der Beitrag wurde erstmals am 13. März 2009 auf meinem damaligen Blog "Skriptorium" publiziert.)