Die folgende Stellungnahme zur geplanten Reform im Wissenschaftsurheberrecht habe ich heute an das BMJV übermittelt. Informationen zum Gesetzgebungsverfahren sind hier zu finden.
Stellungnahme zum Referentenentwurf
eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen
Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz
– UrhWissG)
1. Vorbemerkung
Der
vorliegende Referentenentwurf des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes dient
der Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bildungs- und Wissenschaftsschranke.
Diese Schranke soll nach dem Willen der Koalitionsfraktionen den Belangen von
Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker als das geltende Recht Rechnung
tragen.
Dieses Ziel
wird in hohem Maße erreicht!
Lediglich zu
einigen wenigen Punkten, insbesondere im Bereich des geplanten § 60e UrhG-RefE
besteht noch Diskussionsbedarf, damit die neue Rechtslage nicht hinter die
aktuelle Situation zurückfällt.
2. Einzelfragen im Gesetzentwurf
2.1 Neubestimmung des
„Kirchengebrauchs“
In § 46 UrhG
soll der Ausdruck „Kirchengebrauch“ durch den religionsneutralen Ausdruck
„Gebrauch während religiöser Feierlichkeiten“ ersetzt werden. Das Ziel der
religionsneutralen Formulierung ist zu begrüßen. Die gewählte Ausdrucksweise
ist jedoch zu eng. Sie setzt voraus, dass die gemeinschaftliche
Religionsausübung stets in Form einer religiösen Feierlichkeit erfolgt. Der
alte Ausdruck „Kirchengebrauch“ war insoweit offener. Mit Blick auf die durch
das Grundrecht der Religionsfreiheit gewährleistete religiöse Selbstbestimmung ist
es allein Sache der Gläubigen und der jeweiligen Religionsgemeinschaften, Art
und Form ihrer öffentlichen Religionsausübung zu bestimmen. Ob dies immer in
der Form einer Feierlichkeit oder nicht auch in anderen gemeinschaftlichen
religiösen Übungen ohne Feiercharakter erfolgt, legt die Religionsgemeinschaft
selbst fest. Insoweit ist es sachgerechter, den mit Blick auf die religiöse
Selbstbestimmung offeneren Ausdruck
„den religiösen Gebrauch“
zu verwenden,
der bereits für die neue Überschrift des § 46 UrhG vorgesehen ist.
2.2 Wichtige Klarstellung beim
Zitatrecht
Die in § 51
UrhG geplante Klarstellung, dass bei Zitaten die Nutzung von Abbildungen des
zitierten Werkes ebenfalls zulässig ist, kommt den Bedürfnissen der Praxis sehr
entgegen und ist geeignet, bestehende Rechtsunsicherheiten gerade bei Zitaten
im Kontext von Social Media zu beseitigen.
2.3 Streichung von § 53 Abs. 2 S. 2
Nr. 3 UrhG?
Der Begriff
des Archives in § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG ist nicht als Institution, sondern funktional
als bloße Sammlung zu verstehen. Daher gibt es auch nach der vorgesehenen Einführung
von § 60f UrhG-E, wo das Archiv als eine Einrichtung adressiert wird, noch ein
praktisches Bedürfnis, nicht-institutionelle Sammlungen etwa in Behörden,
Forschungsorganisationen oder Religionsgemeinschaften, aber auch privaten
Initiativen weiterhin die elektronische Archivkopie zu gestatten, sofern ein
öffentliches Interesse gegeben ist und keine kommerziellen Interessen verfolgt
werden. Nr. 9 a) bb) ccc) des Referentenentwurfes sollte daher gestrichen
werden.
2.4 Vervielfältigung von Noten
Das in § 60a
Abs. 3 Nr. 3 UrhG-RefE vorgesehene Verbot, Noten zu vervielfältigen, ist zu
eng. Richtigerweise sollten Kopien verboten bleiben, die etwa für musikalische
Darbietungen von Chören oder Orchestern den Erwerb von Verlagspublikationen
überflüssig machen, weil in diesen Fällen der Absatzmarkt für Noten empfindlich
beeinträchtigt würde. Dieses Verbot ist nach § 53 Abs. 4 Buchst. a) UrhG
weiterhin gültig. Soweit es aber um Auszüge oder einzelne Seiten zum Zwecke des
Unterrichts geht oder Ablichtungen, die von einem eigenen Werkstück vorgenommen
werden, um dort Anmerkungen und dergleichen für eine konkrete musikalische
Darbietung anzubringen (vgl. Dreier/Schulze § 53 UrhG, 5. Aufl. 2015, Rn. 47),
ist es im Rahmen von § 60a UrhG-RefE sinnvoll, dieses Verbot zu lockern, zumal
im Gegenschluss zu § 60a Abs. 3 Nr. 3 UrhG-RefE für die wissenschaftliche Forschung
im geplanten § 60c UrhG-RefE Noten entgegen der früheren Rechtslage nach § 53
Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 Buchst. a) UrhG ohne jede Einschränkung vervielfältigt
werden dürfen. Es wird daher vorgeschlagen, § 60a Abs. 3 Nr. 3 UrhG-RefE wie
folgt zu fassen:
„Vervielfältigungen von grafischen Aufzeichnungen von
Werken der Musik, soweit sie für musikalische Darbietungen verwendet werden
oder die Vorlage kein eigenes Werkstück ist.“
2.5 Begriff der Bildungseinrichtung
Eine klare
Bestimmung derjenigen Einrichtungen, die als Bildungseinrichtungen im Sinne des
Gesetzes gelten, ist sinnvoll, zumal beispielsweise Bibliotheken, für die mit §
60e UrhG-RefE künftig eine eigene Bestimmung vorgesehen ist, in Landesgesetzen
mitunter expliziert als „Bildungseinrichtung“ bezeichnet werden, vgl. 3 S. 1
Thüringer Bibliotheksgesetz.
Legt man die
Aufzählung im geplanten § 60a Abs. 4 UrhG- RefE zugrunde, so gelten
Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung pauschal als Bildungseinrichtungen im
Sinne des Gesetzes. Darunter sind sicher auch die in den Weiter- und
Erwachsenenbildungsgesetzen der Länder geregelten Volkshochschulen zu
verstehen.
Wie aber sind
Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1
SGB VIII einzuordnen? Musikschulen etwa werden teilweise in den Schulgesetzen
der Länder geregelt, etwa in § 124 Berliner Schulgesetz, teilweise in eigenen Spartengesetzen
als Bildungseinrichtungen bezeichnet, etwa in § 1 Abs. 2 S. 1 Brandenburgisches
Musik und Kunstschulgesetz. Mit Blick auf die sehr weitreichende und pauschale
Einbeziehung von Weiterbildungseinrichtungen sollten in gleicher Weise auch
Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung von den Ausnahmen des § 60a
UrhG-RefE profitieren.
Da § 60a UrhG-RefE
nicht pauschal Lehre und Unterricht, mithin Bildung privilegiert, sondern
voraussetzt, dass Lehre und Unterricht an gesetzlich näher bestimmten
Bildungseinrichtungen stattfindet, fällt nicht nur die außerschulische
Jugendbildung, sondern fallen auch Bildungsmaßnahmen im Strafvollzug,
insbesondere im Jugendstrafvollzug, aus dem Anwendungsbereich der Schranke
heraus. Dabei ist auch dort der Umgang mit Medien ein wichtiges Thema, wie sich
beispielsweise aus § 128 Abs. 2 S. 3 des Niedersächsischen
Strafvollzugsgesetzes ergibt, wonach das Erlernen und Einüben eines verantwortungsvollen
Umgangs mit neuen Medien ein ausdrückliches Bildungsziel des Strafvollzuges
ist.
Es wird daher
vorgeschlagen, dass § 60a Abs. 4 UrhG-RefE folgende Fassung erhält:
„Bildungseinrichtungen sind frühkindliche und
anerkannte außerschulische Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie
Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung. Für
Bildungsangebote im Bereich des Straf- und Maßregelvollzuges gelten die Absätze
1 bis 3 entsprechend.“
2.6 Nutzung der Korpus-Kopien bei
Text- und Datamining
Nach § 60d
Abs. 3 S. 2 UrhG-RefE dürfen künftig Korpora, die als Grundlage für Text- und
Datamining (TDM) erstellt worden sind, zum Zwecke der wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit
dauerhaft archiviert werden. Unklar scheint hier, inwieweit eine Nutzung dieser
Kopien zulässig ist. Denkbar wäre, § 60e Abs. 4 UrhG-RefE anzuwenden, was aber
zur Konsequenz hätte, dass auf dem Umweg des Text- und Datamining erhebliche
Bestandsvermehrungen in Bibliotheken, Archiven und vergleichbaren Einrichtungen
möglich sind. Da hier die Interessen der Rechteinhaber unverhältnismäßig stark
beeinträchtigt werden können und somit die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten
besteht, sollte die Nutzung der Korpus-Kopien auf die Nachprüfbarkeit von
TDM-Ergebnissen beschränkt, in diesem Umfang aber zur Klarstellung auch
ausdrücklich im Gesetz gestattet werden.
Es wird daher
vorgeschlagen § 60d Abs. 3 UrhG-RefE um einen Satz 3 wie folgt zu ergänzen:
„Das Korpus und die Vervielfältigungen des
Ursprungsmaterials dürfen ausschließlich zum Zweck der Überprüfung der bei den
abgeschlossenen Forschungsarbeiten gefundenen Ergebnisse nach Maßgabe von §
60e Abs. 4 genutzt werden.“
2.7 Digitalisierung in Bibliotheken
durch Dienstleister
Bibliotheken
wird in § 60e Abs. 1 UrhG-RefE in weitem Umfang die Digitalisierung ihrer
Bestände gestattet. Die Formulierung der geplanten Regelung legt nahe, dass
Bibliotheken die bei der Digitalisierung notwendigen Vervielfältigungen selbst
anfertigen. Bislang konnte eine Digitalisierung eigener Bestände beispielsweise
auf die Archivschranke in § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG oder für die Nutzung an
einem elektronischen Leseplatz (§ 52b UrhG) nach der Rechtsprechung des BGH auf
eine Analogie zu § 52a UrhG gestützt werden (NJW 2015, S. 3513 – Elektronische
Leseplätze II).
Bei der
Archivschranke wird ausdrücklich die Modalität des Herstellenlassens gestattet,
§ 52a Abs. 3 UrhG erlaubt ohne nähere Charakterisierung Vervielfältigungen. Demgegenüber
stellt die nunmehr in § 60e Abs. 1 UrhG-RefE für Bibliotheken aus
Spezialitätsgründen künftig allein anwendbare Vorschrift darauf ab, dass
Bibliotheken die erlaubten Vervielfältigungen selbst anfertigen.
Um eine vom
Gesetzgeber sich nicht intendierte Verschlechterung gegenüber der geltenden
Rechtslage zu vermeiden, wird vorgeschlagen, in § 60a Abs. 1 UrhG-RefE nach den
Worten „und Restaurierung vervielfältigen“ die Worte
„oder vervielfältigen lassen“
einzufügen.
2.8 Reparaturkopien und
Reproduktionsexemplare
In § 60e Abs.
2 S. 1 UrhG-RefE wird die Übermittlung von Vervielfältigungen zum Zwecke der
Reparatur von beschädigten Werken in anderen Bibliotheken durch die ein
unbeschädigtes Exemplar besitzende Bibliothek gestattet. Nach Satz 2 dürfen die
reparierten Werke anschließend ausgeliehen werden. Gleiches gilt für Kopien
vergriffener oder zerstörter Werke, die sich im Bestand der begünstigten
Bibliothek befinden bzw. befunden haben müssen.
Im geltenden
Recht können Bibliotheken die Reparaturkopien auf Grundlage von § 53 Abs. 2 S.
1 Nr. 4 UrhG anfertigen oder anfertigen lassen. Die Ausleihe wird über § 53
Abs. 6 S. 2 UrhG gestattet, der insoweit das allgemeine
Weiterverbreitungsverbot für Vervielfältigungen in § 53 Abs. 6 S. 1 UrhG
aufhebt. In der Praxis werden Kopien von einzelnen Reparaturseiten durch andere
Bibliotheken angefertigt. Da § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG auch den Modus des
Herstellenlassens erlaubt, stellt die Übergabe dieser Kopien keine
Verbreitungshandlung, sondern lediglich eine urheberrechtlich irrelevante
Übermittlungshandlung im Rahmen eines einheitlichen Vervielfältigungsgeschehens
dar.
Soweit
vergriffene Werke reproduziert werden, stellen die Bibliotheken die dafür notwendigen
Vervielfältigungen in der Regel nicht selbst her, sondern bedienen sich externer
Dienstleister, die professionelle Reproduktionen erstellen und regalfertig
binden. Auch dies ist zulässig, weil es bei § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. b)
UrhG den Modus des Herstellenlassens gibt.
Vor dem
Hintergrund der geltenden Rechtslage, die insoweit unangetastet bleibt, als die
einschlägigen Bestimmungen des UrhG nicht aufgehoben werden, ist durch die
Neuregelung kein Mehrwert erkennbar, sieht man von der tatsächlich neuen
Regelung ab, dass auch nicht vergriffene Werke als Reproduktion genutzt werden
können, soweit die vorhandenen Bestandsexemplare zerstört worden sind.
Ansonsten wird
in § 60e Abs. 2 S. 1 UrhG-RefE eine Verbreitungshandlung gesetzlich geschaffen,
für die in dieser Form kein praktisches Bedürfnis besteht. Die Einführung des
Satz 1 ist offenbar eine Konsequenz aus dem Umstand, dass § 60e Abs. 1 UrhG-RefE
künftig kein Herstellenlassen mehr vorsieht. Auf dieser Linie liegen auch die
Befugnisse nach Absatz 2, denn die dort zulässigen Vervielfältigungen dürfen
offenbar allein durch die besitzende Bibliothek angefertigt werden, was den
jahrzehntelang in der Praxis bewährten Einsatz professioneller Dienstleister
gerade bei der Reproduktion vergriffener Werke ausschließt.
Ausweislich
der Begründung (S. 43) soll ein Rückgriff auf § 53 UrhG nur noch für
kommerziell arbeitende Bibliotheken möglich sein, so dass für die große Zahl
der öffentlich zugänglichen Bibliotheken in Deutschland für Reparatur- und
Reproduktionskopien künftig allein § 60e UrhG gelten wird. Da diese Vorschrift
aber eine deutliche Verschlechterung gegenüber der geltenden Rechtslage
darstellt, wird empfohlen § 60e Abs. 2 UrhG-RefE nur insoweit zu belassen, wie
er die Nutzung von Kopien für zerstörte Exemplare erlaubt. Zusätzlich sollte
auch die Nutzung von Ersatzkopien von Werken zulässig sein, die wegen ihres
Erhaltungszustandes von der Benutzung ausgenommen sind. Unter der
Voraussetzung, dass in § 60e Abs. 1 UrhG-RefE die Möglichkeit des
Herstellenlassens wieder vorgesehen wird, sollte § 60e Abs. 2 UrhG-RefE wie
folgt gefasst werden:
„Unbeschadet § 53 Abs. 6 S. 2 dürfen Bibliotheken auch
Vervielfältigungsstücke zerstörter oder wegen ihres Erhaltungszustandes für die
Benutzung gesperrter Werke verleihen.“
2.9 Umfang der Dokumentlieferung
durch Bibliotheken
Die Regelung
über die Dokumentlieferung in § 53a UrhG soll durch § 60e Abs. 5 UrhG-RefE
ersetzt werden. Positiv hervorzuheben ist, dass für die nicht-kommerzielle
Nutzung in Bildung und Wissenschaft nunmehr alle Lieferwege in allen Formaten
eröffnet sind. Die Lieferung von nur 10 % eines erschienenen Werkes ist eine
klar handhabbare Größe, wenngleich an dieser Stelle eine exakte Prozentzahl
vielleicht nicht so nötig ist wie bei § 60a UrhG-RefE. Im Gegensatz zur
Situation in Lehre und Unterricht sind in den Bibliotheken fachliche geschulte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Dokumentlieferung tätig, so dass dieser
Personenkreis auch mit einer flexibleren Regelung, wie sie derzeit in § 53a
UrhG zu finden ist, umgehen kann. Zudem wird in der Praxis diese Prozentzahl
keine limitierende Wirkung haben, da sie mehrere, zeitlich gestreckte
Teilbestellungen bei mehreren Bibliotheken provozieren wird. Es sollte daher
überlegt werden, ob es nicht bei der bisherigen Umfangsbestimmung, wie sie in §
53a UrhG zu finden ist, bleiben sollte.
2.10 Keine Dokumentlieferung für
gewerbliche Nutzer?
Nach § 60e
Abs. 5 UrhG-E soll die Lieferung von Kopien in der Dokumentlieferung nur für
eine nicht-kommerzielle Nutzung zulässig sein. Dies ist im geltenden Recht nach
§ 53a UrhG derzeit nur bei der Lieferung in sonstiger elektronischer Form der
Fall. Ansonsten können etwa Gewerbetreibende Kopien im Wege des Post- und
Faxversandes erhalten. Da dieser Nutzerkreis nach § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Buchst. a) UrhG entsprechende Kopien auch durch Dritte herstellen lassen kann,
ist nicht einzusehen, warum diese Dritten nicht auch Bibliotheken sein können.
Auch das
europäische Recht fordert keine Beschränkung auf eine lediglich
nicht-kommerzielle Nutzung. Der in der Begründung (S. 45) zitierte Artikel 5
Abs. 2 Buchst. c) InfoSoc-RL bezieht sich auf Kopien, die Bibliotheken im
Rahmen ihrer Aufgaben für sich selbst in Bezug auf ihren Bestand anfertigen.
Das ergibt sich schon aus der gleichzeitigen Nennung mit Bildungseinrichtungen
und Museen, zu deren Aufgaben die Dokumentlieferung sicher nicht gehört. Richtigerweise
sind Kopien in der Dokumentlieferung den Bestellern zuzuordnen, wie bereits
der BGH vor vielen Jahren entschieden hat und § 53a UrhG dies ausdrücklich
klarstellt (BGH GRUR 1999, 707 – Kopienversanddienst).
Zwar mag
Erwägungsgrund 40 der InfoSoc.-RL Zurückhaltung bei elektronischen
Lieferdiensten fordern und daher für diesen Lieferweg eine Beschränkung auf
nicht-kommerzielle Nutzungen nahelegen, für alle andere Nutzergruppen aber sollte
wie im geltenden Recht auch der Post- und Faxversand weiterhin bestehen
bleiben.
Es wird daher
vorgeschlagen, § 60e UrhG-RefE wie folgt zu fassen:
„Auf Einzelbestellung an Nutzer übermitteln dürfen
Bibliotheken Vervielfältigungen von bis zu 10 Prozent eines erschienenen Werkes
sowie einzelner Beiträge, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind.
Dient die Nutzung gewerblichen Zwecken, so ist die Übermittlung nur im Wege des
Post- oder Faxversandes zulässig.“
2.11 Keine Vervielfältigung vergriffener
Werke durch Bibliotheken für Endnutzer mehr?
§ 53 Abs. 2
S. 1 Nr. 4 Buchst. b) UrhG gestattet für den sonstigen eigenen Gebrauch die
vollständige Vervielfältigung vergriffener Werke. Dies kann auch durch Dritte
im Wege des Herstellenslassens geschehen. Ein Nutzer könnte sich daher ein
vergriffenes Werk in einer Bibliothek ausleihen und durch einen Dienstleister
vollständig reproduzieren lassen.
Es ist nicht
einzusehen, warum nicht auch Bibliotheken selbst diese Dienstleitung anbieten
dürfen, zumal bei seltenen und schonungsbedürftigen Werken eine Ausleihe außer
Haus nicht möglich sein wird. Gerade bei solchen Werken besteht aber ein
Interesse daran, dass sie etwa durch Reproduktionen weiterhin zugänglich sind.
Schon im geltenden Recht ist diese Möglichkeit durch die enge Fassung des § 53a
UrhG allenfalls für lokale Bibliotheksnutzer gegeben.
Mit Blick auf
die Liberalisierung der Nutzung vergriffener Werke etwa für den
Forschungsgebrauch in § 60c Abs. 3 UrhG-RefE sollte diese Möglichkeit auch bei
der Dokumentlieferung vorgesehen werden.
Es wird daher
vorgeschlagen, über die vorstehende empfohlene Änderung hinaus § 60e Abs. 5
UrhG-RefE wie folgt zu fassen:
„Auf Einzelbestellung an Nutzer übermitteln dürfen
Bibliotheken Vervielfältigungen von bis zu 10 Prozent eines erschienenen
Werkes, seit zwei Jahren vergriffener Werke sowie einzelner Beiträge, die in
Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind. Dient die Nutzung gewerblichen
Zwecken, so ist die Übermittlung nur im Wege des Post- oder Faxversandes
zulässig.“
2.12 Dokumentlieferung von
eRessourcen?
Wie schon §
53a UrhG so schränkt auch § 60a UrhG-RefE die Dokumentlieferung auf eine im
Sinne von § 6 UrhG erschienene Vorlage ein. Fraglich ist daher, ob eine
Dokumentlieferung auf lediglich elektronisch vorliegende Quellen wie eBooks
oder eJournals möglich ist. Zwar wird in der urheberrechtlichen Literatur mit
guten Gründen die Ansicht vertreten, in elektronischer Form dauerhaft
publizierte Veröffentlichungen auch als „erschienen“ im Sinne des Urheberrechts
anzusehen (Dreier/Schulz, § 6 UrhG, 5. Aufl. 2015, Rn. 16), doch bleibt in der
Praxis eine gewisse Unsicherheit bestehen, die im Zuge der Reform beseitigt
werden sollte.
Mit Blick auf
die berechtigten Interessen der Rechteinhaber sollte bei lediglich digitalen
Vorlagen aber nur eine Lieferung in analoger Form möglich sein, damit durch die
Dokumentlieferung die elektronische Fassung nicht vollständig substituiert
wird.
Es wird daher
vorgeschlagen, über die schon genannten Änderungen hinaus § 60e Abs. 5 UrhG-RefE
wie folgt zu fassen:
„Auf Einzelbestellung an Nutzer übermitteln dürfen
Bibliotheken Vervielfältigungen von bis zu 10 Prozent eines erschienenen
Werkes, seit zwei Jahren vergriffener Werke sowie einzelner Beiträge, die in
Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind. Dient die Nutzung gewerblichen
Zwecken, so ist die Übermittlung nur im Wege des Post- oder Faxversandes
zulässig. Dies gilt auch für den Fall, dass die Vorlage für die Vervielfältigung
in elektronischer Form veröffentlicht wurde.“
2.13 Keine Dokumentlieferung durch
Archiv- und Museumsbibliotheken?
In § 60f Abs.
1 UrhG-RefE werden die Bestimmungen für Bibliotheken auch in anderen
Bildungseinrichtungen und Gedächtnisinstitutionen mit Ausnahme von Absatz 5 für
entsprechend anwendbar erklärt. Hier sollte nicht übersehen werden, dass es an
den genannten Einrichtungen bedeutende Bibliotheken mit sehr speziellen
Beständen gibt, die etwa im Rahmen der Dokumentlieferung eine wichtige
Versorgungsfunktion haben.
Beispielhaft
genannt sei die Bibliothek des Deutschen Museums in München, die mit einem
Bestand von über 950.000 Medieneinheiten die Größe einer Universitätsbibliothek
erreicht. An dieser Stelle zeigt sich wieder, dass der vorliegende Gesetzentwurf
Begriffe wie „Bibliothek“ oder „Archiv“ nicht funktional, sondern
institutionell versteht. Um den Bibliotheken der in § 60f Abs. 1 UrhG-RefE
genannten Institutionen weiterhin eine aktive Teilnahme an der
Dokumentlieferung zu ermöglichen, sollte § 60f Abs. 1 UrhG-RefE am Ende wie
folgt gefasst werden:
„… gilt § 60e entsprechend, wobei Absatz 5 nur für die
Bibliotheken dieser Einrichtungen anwendbar ist.“
2.14 Subsidiäre Generalklausel für
Bildung- und Forschung
Der
vorliegende Gesetzentwurf hat im Sinne der Rechtssicherheit und Anwendungsfreundlichkeit
auf die Einführung einer flexiblen Generalklausel für Bildung und Wissenschaft
verzichtet. Mit Blick auf künftige Bedürfnisse und um unvorhersehbare
Anwendungsfälle zu erfassen, sollte, wie in der rechtspolitischen Diskussion um
eine angemessene Bildungs- und Wissenschaftsschranke immer gefordert (vgl. de
la Durantaye, Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke, 2014, S. 201 ff.),
gleichwohl eine wenigstens subsidiäre Generalklausel eingeführt werden.
Eine solche
Generalklausel hätte den Vorteil, neue Anwendungsfälle ohne Mitwirkung des
Gesetzgebers praktisch umsetzen und rechtliche Zweifel gegebenenfalls
gerichtlich klären lassen zu können. Damit wäre zwar eine gewisse Rechtsunsicherheit
verbunden. Dies ist aber für innovative Projekte hinnehmbar, zumal sie
ansonsten gar nicht oder erst nach jahrelanger Verzögerung wegen fehlender
gesetzlicher Grundlagen in Angriff genommen werden könnten.
Die
subsidiäre Generalklausel könnte auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. a, Abs. 4 und 5
InfoSoc.-RL gestützt und als § 60i hinter § 60h UrhG-RefE eingefügt werden
werden:
„Über die in diesem Unterabschnitt genannten Fälle
hinaus dürfen Werke und sonstige Schutzgegenstände für Zwecke der
nicht-kommerziellen wissenschaftlichen Forschung vervielfältigt, verbreitet und
öffentlich wiedergegeben werden, sofern die normale Verwertung des Werkes oder
des sonstigen Schutzgegenstandes nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten
Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“
2.15 Sammlung und Nutzung von
Netzpublikationen
In § 16a
DNBG-RefE wird eine lange überfällige urheberrechtliche Grundlage für das
selbständige Sammeln von Netzpublikationen durch die Deutsche
Nationalbibliothek (DNB) eingeführt. Die DNB ist bereits seit 2006 für die Sammlung
und Bewahrung auch von Netzpublikationen zuständig. Mit der neuen Bestimmung
kann sie ihrem Auftrag endlich in rechtssicherer Weise nachkommen.
Nach § 16a
Abs. 1 S. 3 DNBG-RefE dürfen eingesammelte Netzpublikationen wie andere
Bestandwerke genutzt werden. Das bedeutet, dass eine Terminalnutzung nach § 60e
Abs. 4 UhrG-RefE zulässig ist. Problematisch ist dabei, dass die ursprünglich
frei zugänglichen Netzpublikationen nach der Archivierung durch die DNB von
gewerblichen Nutzern nicht mehr genutzt werden können. Nach § 60h Abs. 1 S. 1
UrhG-RefE wäre ist Nutzung der archivierten Netzpublikationen am Terminal
überdies vergütungspflichtig. Das ist nicht sachgerecht, da Urheber von
Netzpublikationen in aller Regel nicht an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften
partizipieren. Damit ist eine Vergütung der zudem vergleichsweise wenigen
Nutzungen in den Räumen der DNB sinnlos. Zudem ist die recht kostenintensive Sammlung
und Erhaltung dieser Publikationen auch im Sinne der Urheber, deren Interessen damit
genügend gewahrt werden.
3. Ausleihe von eBooks
Als
Konsequenz der Entscheidung des EuGH vom 10. November 2016 (Vereniging Openbare
Bibliotheken/Stichting Leenrecht) ist eine Ausleihe auch von eBooks europarechtlich
zulässig. Es ist zu begrüßen, eine solche Möglichkeit künftig auch in
Deutschland einzuführen. Da im UrhG derzeit aber kein eigenes Verleihrecht
normiert ist, die Ausleihe von Büchern sich lediglich als Folge der Erschöpfung
des Verbreitungsrechts darstellt, müsste für die bei der elektronischen
Ausleihe erforderlichen Kopier- und Übertragungsvorgänge eine eigene Grundlage
im UrhG geschaffen werden.
In diesem
Zusammenhang wäre es auch zu überlegen, ob Bibliotheken nicht für die Nutzung
an elektronischen Leseplätzen nach § 52b UrhG erstellte Vervielfältigungen
ebenfalls verleihen können sollten. Um hier die berechtigten Interessen der
Rechteinhaber zu wahren und einen deutlichen Unterschied zu einer jederzeit
aufrufbaren Quelle auf einem Schriftenserver zu markieren, was ja eine europarechtlich
so nicht zulässige öffentliche Zugänglichmachung wäre, müsste eine solche
Ausleihe einen klar definierten Mindestzeitraum umfassen, um die Benutzungssituation
gedruckter Bücher in Bibliotheken, die bei der Ausleihe außer Haus auch eine
bestimmte Frist nicht verfügbar sind, abzubilden. Nur eine solche auch benutzungspraktische
Gleichstellung der elektronischen mit der konventionellen Ausleihe dürfte den
Vorgaben der EuGH entsprechen, der die Ausleihe lediglich mit Blick auf das
Medienformat, nicht aber in ihrer Intensität ausweiten wollte.
4. Die besondere Situation von
wissenschaftlichen Lehrbüchern
In §§ 52a
Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 3 S. 2 UrhG werden Schulbücher besonders privilegiert,
indem sie von der Schrankennutzung weitgehend ausgenommen sind. Dies soll in §
60a Abs. 3 Nr. 2 UrhG-RefE auch künftig gelten. Als Grund für diese Ausnahme wird
immer der Schutz des Primärmarktes für Schulbücher angeführt. Es wird
befürchtet, dass durch Kopien oder die Nutzung in virtuellen Klassenzimmern der
Schulbuchabsatz gefährdet, ja unmöglich gemacht wird.
Für
Lehrbücher, die in der Hochschullehre zum Einsatz kommen, werden von Verlagen
seit mehreren Jahren vergleichbare Bestimmungen gefordert. Nach Ansicht der
Verlage sollen die Hochschulen im Wesentlichen der einzige Primärmarkt sein,
der wie bei den Schulbüchern durch Schrankennutzungen gefährdet wird.
Hier darf
nicht übersehen werden, dass Lehrbücher für wissenschaftliche Themen mit
Schulbüchern nicht vergleichbar sind. Lehrbücher sind in vielen Disziplinen
keine bloßen Einführungswerke, sondern auch wissenschaftliche
Forschungsleistungen, die jenseits der bloßen Wissensvermittlung eigene
Synthesen zur fachwissenschaftlichen Diskussion darstellen. Lehrbücher sind
darauf angelegt, durch intensive Lektüre und Durcharbeitung die mündliche
Hochschullehre zu ergänzen, die ihrerseits die ganze Breite einer bestimmten,
in einem Lehrbuch repräsentierten Disziplin gar nicht abdeckt und daher
notwendigerweise der Ergänzung durch eine Lehrbuchlektüre bedarf. Aus dem wissenschaftlichen
Charakter des Lehrbuchs, seinem Anspruch einer umfassenden und kohärenten
Darstellung eines bestimmten Themas sowie der ein ordentliches Studium
kennzeichnenden durchgehenden Lektüre dieser Werke ergeben sich gegenüber einem
Schulbuch signifikante Besonderheiten, die eine Gleichsetzung verbieten.
Dies zeigt
sich auch beim Primärmarkt für Lehrbücher: Als Wissenschaftspublikation wird
das Lehrbuch von Bibliotheken erworben. Durch die kohärente Darstellung nutzen
es aber auch Berufspraktiker und allgemein wissenschaftlich Interessierte für
eine weiterbildende Lektüre. Studierende werden für die intensive Durcharbeit
des Buches Wert auf ein eigenes Exemplar legen, das sie mit Anmerkungen
versehen können. Im Gegensatz dazu ist ein Schulbuch aus sich selbst heraus
meist nicht verständlich. Es bietet Material für den Unterricht durch eine
Lehrperson und wird dabei immer nur auszugsweise genutzt. Ein Erwerb zur
systematischen Durcharbeitung durch Schülerinnen und Schülern ist außer bei
Primärtexten für die Lektüre, die aber keine eigentlichen Schulbücher sind,
unüblich. Damit verengt sich der Markt für den Schulbuchabsatz tatsächlich auf
den Bereich des unmittelbaren Unterrichtseinsatzes. Wenn dort in der Regel
zudem immer nur Ausschnitte eines Schulbuches genutzt werden, ist es
nachvollziehbar, dass eine gesetzliche Schrankenbestimmung, die die Nutzung
genau solcher Ausschnitte gestattet, den Primärmarkt empfindlich stören kann.
In der
Hochschullehre hingegen ersetzen kleine Ausschnitte aus Lehrbüchern niemals die
über diesen begrenzten Einsatz in der Lehre deutlich hinausgehende Funktion
dieser Art von Literatur. Wo sich in der Schule die Schulbuchnutzung im
Ausschnitt praktisch erschöpft, wird in der Hochschule ein Werk für die weitere
Nutzung geradezu empfohlen.
Will man
gleichwohl mit den Verlagen eine besondere Schutzbedürftigkeit des Lehrbuchs
annehmen und seine Nutzung von den Schrankbestimmungen weitgehend ausschließen,
so liegt dem die im Übrigen unbewiesene Annahme zugrunde, dass dadurch der
Absatz von Verlagsprodukten abgesichert wird. Diese Annahme ist zudem trügerisch.
Sie blendet die Tatsache aus, dass Materialien für Studium und Lehre nicht mehr
nur von Verlagen angeboten werden, sondern in immer größerem Maße auch frei
zugänglich im Internet zu finden sind. Im Zusammenspiel mit der
allgegenwärtigen Digitalisierung der alltäglichen Kommunikation und dem
Aufstieg des Internet zum Leitmedium gerade jüngerer Menschen können
Benutzungsverbote in Form Schrankenausnahmen sogar eine negative Wirkung für
den Primärmarkt entfalten.
Anstatt nämlich
bei den Verlagen durch Buchkäufe und Lizenzierungen Umsätze zu generieren, wird
die Aufmerksamkeit der Lehrenden und Unterrichtsteilnehmer auf frei
zugängliches Material im Internet gelenkt. Die Tatsache, dass die Diskussion um
Open Educational Ressources (OER) im Schulbereich konzeptionell viel weiter ist
als in der Hochschullehre, könnte sehr plausibel mit dem Verbot der
Schulbuchnutzung in digitalen Arbeitsumgebungen zusammenhängen.
Überträgt man
diese Beobachtung auf den Hochschulbereich, so würde eine Schrankenausnahme für
Lehrbücher vermutlich nur den Effekt haben, dass Lehrende und Studierende
verstärkt auf freie Online-Angebote oder einige wenige Paktangebote großer
Konzernverlage zurückgreifen werden.
Die einfache
und unkomplizierte Schrankennutzung hingegen gibt einer ohnehin schon sehr
stark digital orientierten Studierendengeneration Gelegenheit, überwiegend
allein gedruckt vorliegendes Material vor allem kleinerer Verlage überhaupt
erst zur Kenntnis zu nehmen, es zu testen und dann – nicht selten durch eigene
Käufe – intensiv zu nutzen.
Angesichts
des rasanten Medienwandels müsste es im vitalen Interesse der Verlage sein,
dass ihre Erzeugnisse nicht unsichtbar werden. Durch klare und unbürokratisch
zu nutzende Schrankenbestimmungen kann hierfür ein wichtiger Rahmen bereitgestellt
werden. Lehrende können sich dann allein auf inhaltliche Aspekte konzentrieren,
anstatt Abrechnungsmasken auszufüllen oder nach parallelen Verlagsangeboten zu
recherchieren. Eine einfache Basisnutzung in einem klar definierten Umfang
sichert Verlagen die Wahrnehmbarkeit im digitalen Zeitalter.
5. Der Vorrang von Verlagsangeboten
und einzelfallbezogene Vergütungen
Aus dem Vorstehenden
wird auch ersichtlich, dass ein Vorrang von Verlagsangeboten oder eine
einzelfallbezogene Vergütung in der Praxis nur dazu führen werden, die
Schrankennutzung kompliziert und bürokratisch, mithin unattraktiv zu gestalten.
Nicht nur muss die erfolgte Nutzung genau dokumentiert und ein entsprechendes
Budget für Vergütungen verwaltet werden, es muss vorher auch recherchiert
werden, ob Verlage eigene Angebote machen und anschließend noch bewertet
werden, ob diese Angebote im konkreten Einzelfall auch angemessen sind. Neben
dem dafür erforderlichen Zeitaufwand tritt durch die Frage der Angemessenheit
des Angebotes noch die Unsicherheit eines mit dem Risiko einer juristischen
Ausweinandersetzung belasteten unbestimmten Rechtsbegriffs.
Der von den
Verlagen durch einen Vorrang ihrer Angebote sowie eine nutzugsbezogene
Einzelabrechnung intendierte Effekt einer Umsatzsteigerung ist hier, wie bereits
bei der möglichen Bereichsausnahme für Lehrbücher schon angedeutet, überaus
unsicher. Gerade für die Hochschullehre werden Lehrende lieber zu freien oder
selbst erstellten Materialien greifen sowie die an allen Hochschulen gut
vorhandenen Angebote und Pakete einiger weniger sehr großer
Wissenschaftsverlage nutzen.
Leidtragende
dieser Entwicklung werden vor allem die kleinen und mittleren deutschen
Wissenschaftsverlage sein, deren Produktion in einer zunehmend digital
geprägten Lern- und Forschungsumgebung zunehmend unsichtbar wird. Der vorliegende
Gesetzentwurf wird, indem er auf einen Verlagsvorbehalt genauso wie auf eine
Einzelabrechnung verzichtet, nicht nur dem öffentlichen Interesse an der
einfachen Nutzung von Bildungs- und Wissenschaftsinhalten gerecht, sondern auch
dem ebenfalls öffentlichen Interesse an einer vielfältigen Verlagslandschaft
und deren Überleben bzw. Transformation im digitalen Zeitalter.
Er erfüllt
damit auch in hohem Maße die Anforderungen des europarechtlichen
Drei-Stufen-Tests in Art. 5 Abs. 5 der InfoSoc-RL. Die normale Verwertung eines
Werkes, die durch urheberrechtliche Schrankenbestimmungen nicht beeinträchtigt
werden darf, kann nämlich nicht nur durch die bloße Existenz einer Schranke,
sondern auch durch ihre unbedachte, die aktuelle mediale Situatione
ausblendende Ausgestaltung gefährdet werden.
6. Fazit
Der Referentenentwurf des UrhWissG verdient Zustimmung und Unterstützung. Lediglich bei § 60e UrhG sind einige Korrekturen erforderlich, damit die neue Rechtslage kein Rückschritt gegenüber dem geltenden Recht darstellt. Wird dies beachtet, sollte der Entwurf auch im Interesse einer Befriedung der jahrelang schwelenden Urheberrechtskonflikte an den Hochschulen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen zügig umgesetzt werden.
Der Referentenentwurf des UrhWissG verdient Zustimmung und Unterstützung. Lediglich bei § 60e UrhG sind einige Korrekturen erforderlich, damit die neue Rechtslage kein Rückschritt gegenüber dem geltenden Recht darstellt. Wird dies beachtet, sollte der Entwurf auch im Interesse einer Befriedung der jahrelang schwelenden Urheberrechtskonflikte an den Hochschulen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen zügig umgesetzt werden.