Freitag, 17. Februar 2017

Stellungnahme zum UrhWissG



Die folgende Stellungnahme zur geplanten Reform im Wissenschaftsurheberrecht habe ich heute an das BMJV übermittelt. Informationen zum Gesetzgebungsverfahren sind hier zu finden.

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesell­schaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG)


1. Vorbemerkung


Der vorliegende Referentenentwurf des Urheber­rechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes dient der Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bildungs- und Wissenschaftsschranke. Diese Schranke soll nach dem Willen der Koalitionsfraktionen den Belangen von Wissenschaft, For­schung und Bildung stärker als das geltende Recht Rech­nung tragen.


Dieses Ziel wird in hohem Maße erreicht!


Lediglich zu einigen wenigen Punkten, insbesondere im Bereich des geplanten § 60e UrhG-RefE besteht noch Dis­kussionsbedarf, damit die neue Rechtslage nicht hinter die aktuelle Situation zurückfällt.


2. Einzelfragen im Gesetzentwurf


2.1 Neubestimmung des „Kirchengebrauchs“


In § 46 UrhG soll der Ausdruck „Kirchengebrauch“ durch den religionsneutralen Ausdruck „Gebrauch während religi­öser Feierlichkeiten“ ersetzt werden. Das Ziel der religions­neutralen Formulierung ist zu begrüßen. Die gewählte Aus­drucksweise ist jedoch zu eng. Sie setzt voraus, dass die gemeinschaftliche Religionsausübung stets in Form einer religiösen Feierlichkeit erfolgt. Der alte Ausdruck „Kirchen­gebrauch“ war insoweit offener. Mit Blick auf die durch das Grundrecht der Religionsfreiheit gewährleistete religiöse Selbstbestimmung ist es allein Sache der Gläubigen und der jeweiligen Religionsgemeinschaften, Art und Form ihrer öffentlichen Religionsausübung zu bestimmen. Ob dies immer in der Form einer Feierlichkeit oder nicht auch in anderen gemein­schaftlichen religiösen Übungen ohne Feiercharakter erfolgt, legt die Religions­gemeinschaft selbst fest. Insoweit ist es sachgerechter, den mit Blick auf die religiöse Selbstbestimmung offeneren Ausdruck


„den religiösen Gebrauch“


zu verwenden, der bereits für die neue Überschrift des § 46 UrhG vorgesehen ist.


2.2 Wichtige Klarstellung beim Zitatrecht


Die in § 51 UrhG geplante Klarstellung, dass bei Zitaten die Nutzung von Abbildungen des zitierten Werkes ebenfalls zulässig ist, kommt den Bedürfnissen der Praxis sehr entgegen und ist geeignet, bestehende Rechtsunsicherheiten gerade bei Zitaten im Kontext von Social Media zu beseitigen.


2.3 Streichung von § 53 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UrhG?


Der Begriff des Archives in § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG ist nicht als Institution, sondern funktional als bloße Sammlung zu verstehen. Daher gibt es auch nach der vorgesehenen Einführung von § 60f UrhG-E, wo das Archiv als eine Einrichtung adressiert wird, noch ein praktisches Bedürfnis, nicht-institutionelle Sammlungen etwa in Behörden, Forschungsorganisationen oder Religionsgemeinschaften, aber auch privaten Initiativen weiterhin die elektronische Archivkopie zu gestatten, sofern ein öffentliches Interesse gegeben ist und keine kommerziellen Interessen verfolgt werden. Nr. 9 a) bb) ccc) des Referentenentwurfes sollte daher gestrichen werden.


2.4 Vervielfältigung von Noten


Das in § 60a Abs. 3 Nr. 3 UrhG-RefE vorgesehene Verbot, Noten zu vervielfältigen, ist zu eng. Richtigerweise sollten Kopien verboten bleiben, die etwa für musikalische Darbietungen von Chören oder Orchestern den Erwerb von Verlagspublikationen überflüssig machen, weil in diesen Fällen der Absatzmarkt für Noten empfindlich beeinträchtigt würde. Dieses Verbot ist nach § 53 Abs. 4 Buchst. a) UrhG weiterhin gültig. Soweit es aber um Auszüge oder einzelne Seiten zum Zwecke des Unterrichts geht oder Ablichtungen, die von einem eigenen Werkstück vorgenommen werden, um dort Anmerkungen und dergleichen für eine konkrete musikalische Darbietung anzubringen (vgl. Dreier/Schulze § 53 UrhG, 5. Aufl. 2015, Rn. 47), ist es im Rahmen von § 60a UrhG-RefE sinnvoll, dieses Verbot zu lockern, zumal im Gegenschluss zu § 60a Abs. 3 Nr. 3 UrhG-RefE für die wissenschaftliche Forschung im geplanten § 60c UrhG-RefE Noten entgegen der früheren Rechtslage nach § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 Buchst. a) UrhG ohne jede Einschränkung vervielfältigt werden dürfen. Es wird daher vorgeschlagen, § 60a Abs. 3 Nr. 3 UrhG-RefE wie folgt zu fassen:


„Vervielfältigungen von grafischen Aufzeichnungen von Werken der Musik, soweit sie für musikalische Darbietungen verwendet werden oder die Vorlage kein eigenes Werkstück ist.“


2.5 Begriff der Bildungseinrichtung


Eine klare Bestimmung derjenigen Einrichtungen, die als Bildungseinrichtungen im Sinne des Gesetzes gelten, ist sinnvoll, zumal beispielsweise Bibliotheken, für die mit § 60e UrhG-RefE künftig eine eigene Bestimmung vorgesehen ist, in Landesgesetzen mitunter expliziert als „Bildungseinrichtung“ bezeichnet werden, vgl. 3 S. 1 Thüringer Bibliotheksgesetz.


Legt man die Aufzählung im geplanten § 60a Abs. 4 UrhG- RefE zugrunde, so gelten Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung pauschal als Bildungseinrichtungen im Sinne des Gesetzes. Darunter sind sicher auch die in den Weiter- und Erwachsenenbildungsgesetzen der Länder geregelten Volkshochschulen zu verstehen.


Wie aber sind Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII einzuordnen? Musikschulen etwa werden teilweise in den Schulgesetzen der Länder geregelt, etwa in § 124 Berliner Schulgesetz, teilweise in eigenen Spartengesetzen als Bildungseinrichtungen bezeichnet, etwa in § 1 Abs. 2 S. 1 Brandenburgisches Musik und Kunstschulgesetz. Mit Blick auf die sehr weitreichende und pauschale Einbeziehung von Weiterbildungseinrichtungen sollten in gleicher Weise auch Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung von den Ausnahmen des § 60a UrhG-RefE profitieren.


Da § 60a UrhG-RefE nicht pauschal Lehre und Unterricht, mithin Bildung privilegiert, sondern voraussetzt, dass Lehre und Unterricht an gesetzlich näher bestimmten Bildungseinrichtungen stattfindet, fällt nicht nur die außerschulische Jugendbildung, sondern fallen auch Bildungsmaßnahmen im Strafvollzug, insbesondere im Jugendstrafvollzug, aus dem Anwendungsbereich der Schranke heraus. Dabei ist auch dort der Umgang mit Medien ein wichtiges Thema, wie sich beispielsweise aus § 128 Abs. 2 S. 3 des Niedersächsischen Strafvollzugsgesetzes ergibt, wonach das Erlernen und Einüben eines verantwortungsvollen Umgangs mit neuen Medien ein ausdrückliches Bildungsziel des Strafvollzuges ist.


Es wird daher vorgeschlagen, dass § 60a Abs. 4 UrhG-RefE folgende Fassung erhält:


„Bildungseinrichtungen sind frühkindliche und anerkannte außerschulische Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung. Für Bildungsangebote im Bereich des Straf- und Maßregelvollzuges gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.“


2.6 Nutzung der Korpus-Kopien bei Text- und Datamining


Nach § 60d Abs. 3 S. 2 UrhG-RefE dürfen künftig Korpora, die als Grundlage für Text- und Datamining (TDM) erstellt worden sind, zum Zwecke der wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit dauerhaft archiviert werden. Unklar scheint hier, inwieweit eine Nutzung dieser Kopien zulässig ist. Denkbar wäre, § 60e Abs. 4 UrhG-RefE anzuwenden, was aber zur Konsequenz hätte, dass auf dem Umweg des Text- und Datamining erhebliche Bestandsvermehrungen in Bibliotheken, Archiven und vergleichbaren Einrichtungen möglich sind. Da hier die Interessen der Rechteinhaber unverhältnismäßig stark beeinträchtigt werden können und somit die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten besteht, sollte die Nutzung der Korpus-Kopien auf die Nachprüfbarkeit von TDM-Ergebnissen beschränkt, in diesem Umfang aber zur Klarstellung auch ausdrücklich im Gesetz gestattet werden.


Es wird daher vorgeschlagen § 60d Abs. 3 UrhG-RefE um einen Satz 3 wie folgt zu ergänzen:


„Das Korpus und die Vervielfältigungen des Ursprungsmaterials dürfen ausschließlich zum Zweck der Überprüfung der bei den abgeschlossenen Forschungsarbeiten gefun­denen Ergebnisse nach Maßgabe von § 60e Abs. 4 genutzt werden.“


2.7 Digitalisierung in Bibliotheken durch Dienstleister


Bibliotheken wird in § 60e Abs. 1 UrhG-RefE in weitem Umfang die Digitalisierung ihrer Bestände gestattet. Die Formulierung der geplanten Regelung legt nahe, dass Biblio­theken die bei der Digitalisierung notwendigen Vervielfältigungen selbst anfertigen. Bislang konnte eine Digitalisierung eigener Bestände beispielsweise auf die Archiv­schranke in § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG oder für die Nutzung an einem elektronischen Leseplatz (§ 52b UrhG) nach der Rechtsprechung des BGH auf eine Analogie zu § 52a UrhG gestützt werden (NJW 2015, S. 3513 – Elektronische Leseplätze II).


Bei der Archivschranke wird ausdrücklich die Modalität des Herstellenlassens gestattet, § 52a Abs. 3 UrhG erlaubt ohne nähere Charakterisierung Vervielfältigungen. Dem­gegenüber stellt die nunmehr in § 60e Abs. 1 UrhG-RefE für Bibliotheken aus Spezialitätsgründen künftig allein anwendbare Vorschrift darauf ab, dass Bibliotheken die erlaubten Vervielfältigungen selbst anfertigen.


Um eine vom Gesetzgeber sich nicht intendierte Verschlechterung gegenüber der geltenden Rechtslage zu vermeiden, wird vorgeschlagen, in § 60a Abs. 1 UrhG-RefE nach den Worten „und Restaurierung vervielfältigen“ die Worte


„oder vervielfältigen lassen“


einzufügen.


2.8 Reparaturkopien und Reproduktionsexemplare


In § 60e Abs. 2 S. 1 UrhG-RefE wird die Übermittlung von Vervielfältigungen zum Zwecke der Reparatur von beschädigten Werken in anderen Bibliotheken durch die ein unbeschädigtes Exemplar besitzende Bibliothek gestattet. Nach Satz 2 dürfen die reparierten Werke anschließend ausgeliehen werden. Gleiches gilt für Kopien vergriffener oder zerstörter Werke, die sich im Bestand der begünstigten Bibliothek befinden bzw. befunden haben müssen.


Im geltenden Recht können Bibliotheken die Reparaturkopien auf Grundlage von § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG anfertigen oder anfertigen lassen. Die Ausleihe wird über § 53 Abs. 6 S. 2 UrhG gestattet, der insoweit das allgemeine Weiterverbreitungsverbot für Vervielfältigungen in § 53 Abs. 6 S. 1 UrhG aufhebt. In der Praxis werden Kopien von einzelnen Reparaturseiten durch andere Bibliotheken angefertigt. Da § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG auch den Modus des Herstellenlassens erlaubt, stellt die Übergabe dieser Kopien keine Verbreitungshandlung, sondern lediglich eine urheberrechtlich irrelevante Übermittlungshandlung im Rahmen eines einheitlichen Vervielfältigungsgeschehens dar.


Soweit vergriffene Werke reproduziert werden, stellen die Bibliotheken die dafür notwendigen Vervielfältigungen in der Regel nicht selbst her, sondern bedienen sich externer Dienstleister, die professionelle Reproduktionen erstellen und regalfertig binden. Auch dies ist zulässig, weil es bei § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. b) UrhG den Modus des Herstellenlassens gibt.


Vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage, die insoweit unangetastet bleibt, als die einschlägigen Bestimmungen des UrhG nicht aufgehoben werden, ist durch die Neuregelung kein Mehrwert erkennbar, sieht man von der tatsächlich neuen Regelung ab, dass auch nicht vergriffene Werke als Reproduktion genutzt werden können, soweit die vorhandenen Bestandsexemplare zerstört worden sind.


Ansonsten wird in § 60e Abs. 2 S. 1 UrhG-RefE eine Verbreitungshandlung gesetzlich geschaffen, für die in dieser Form kein praktisches Bedürfnis besteht. Die Einführung des Satz 1 ist offenbar eine Konsequenz aus dem Umstand, dass § 60e Abs. 1 UrhG-RefE künftig kein Herstellenlassen mehr vorsieht. Auf dieser Linie liegen auch die Befugnisse nach Absatz 2, denn die dort zulässigen Vervielfältigungen dürfen offenbar allein durch die besitzende Bibliothek angefertigt werden, was den jahrzehntelang in der Praxis bewährten Einsatz professioneller Dienstleister gerade bei der Reproduktion vergriffener Werke ausschließt.


Ausweislich der Begründung (S. 43) soll ein Rückgriff auf § 53 UrhG nur noch für kommerziell arbeitende Bibliotheken möglich sein, so dass für die große Zahl der öffentlich zugänglichen Bibliotheken in Deutschland für Reparatur- und Reproduktionskopien künftig allein § 60e UrhG gelten wird. Da diese Vorschrift aber eine deutliche Verschlechterung gegenüber der geltenden Rechtslage darstellt, wird empfohlen § 60e Abs. 2 UrhG-RefE nur insoweit zu belassen, wie er die Nutzung von Kopien für zerstörte Exemplare erlaubt. Zusätzlich sollte auch die Nutzung von Ersatzkopien von Werken zulässig sein, die wegen ihres Erhaltungszustandes von der Benutzung ausgenommen sind. Unter der Voraussetzung, dass in § 60e Abs. 1 UrhG-RefE die Möglichkeit des Herstellenlassens wieder vorgesehen wird, sollte § 60e Abs. 2 UrhG-RefE wie folgt gefasst werden:


„Unbeschadet § 53 Abs. 6 S. 2 dürfen Bibliotheken auch Vervielfältigungsstücke zerstörter oder wegen ihres Erhaltungszustandes für die Benutzung gesperrter Werke verleihen.“


2.9 Umfang der Dokumentlieferung durch Bibliotheken


Die Regelung über die Dokumentlieferung in § 53a UrhG soll durch § 60e Abs. 5 UrhG-RefE ersetzt werden. Positiv hervorzuheben ist, dass für die nicht-kommerzielle Nutzung in Bildung und Wissenschaft nunmehr alle Lieferwege in allen Formaten eröffnet sind. Die Lieferung von nur 10 % eines erschienenen Werkes ist eine klar handhabbare Größe, wenngleich an dieser Stelle eine exakte Prozentzahl vielleicht nicht so nötig ist wie bei § 60a UrhG-RefE. Im Gegensatz zur Situation in Lehre und Unterricht sind in den Bibliotheken fachliche geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Dokumentlieferung tätig, so dass dieser Personenkreis auch mit einer flexibleren Regelung, wie sie derzeit in § 53a UrhG zu finden ist, umgehen kann. Zudem wird in der Praxis diese Prozentzahl keine limitierende Wirkung haben, da sie mehrere, zeitlich gestreckte Teilbestellungen bei mehreren Bibliotheken provozieren wird. Es sollte daher überlegt werden, ob es nicht bei der bisherigen Umfangsbestimmung, wie sie in § 53a UrhG zu finden ist, bleiben sollte.


2.10 Keine Dokumentlieferung für gewerbliche Nutzer?


Nach § 60e Abs. 5 UrhG-E soll die Lieferung von Kopien in der Dokumentlieferung nur für eine nicht-kommerzielle Nutzung zulässig sein. Dies ist im geltenden Recht nach § 53a UrhG derzeit nur bei der Lieferung in sonstiger elektronischer Form der Fall. Ansonsten können etwa Gewerbetreibende Kopien im Wege des Post- und Faxversandes erhalten. Da dieser Nutzerkreis nach § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. a) UrhG entsprechende Kopien auch durch Dritte herstellen lassen kann, ist nicht einzusehen, warum diese Dritten nicht auch Bibliotheken sein können.


Auch das europäische Recht fordert keine Beschränkung auf eine lediglich nicht-kommerzielle Nutzung. Der in der Begründung (S. 45) zitierte Artikel 5 Abs. 2 Buchst. c) InfoSoc-RL bezieht sich auf Kopien, die Bibliotheken im Rahmen ihrer Aufgaben für sich selbst in Bezug auf ihren Bestand anfertigen. Das ergibt sich schon aus der gleichzeitigen Nennung mit Bildungseinrichtungen und Museen, zu deren Aufgaben die Dokumentlieferung sicher nicht gehört. Richtigerweise sind Kopien in der Dokumentlieferung den Bestellern zuzuordnen, wie bereits der BGH vor vielen Jahren entschieden hat und § 53a UrhG dies ausdrücklich klarstellt (BGH GRUR 1999, 707 – Kopienversanddienst).


Zwar mag Erwägungsgrund 40 der InfoSoc.-RL Zurückhaltung bei elektronischen Lieferdiensten fordern und daher für diesen Lieferweg eine Beschränkung auf nicht-kommerzielle Nutzungen nahelegen, für alle andere Nutzergruppen aber sollte wie im geltenden Recht auch der Post- und Faxversand weiterhin bestehen bleiben.


Es wird daher vorgeschlagen, § 60e UrhG-RefE wie folgt zu fassen:


„Auf Einzelbestellung an Nutzer übermitteln dürfen Bibliotheken Vervielfältigungen von bis zu 10 Prozent eines erschienenen Werkes sowie einzelner Beiträge, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind. Dient die Nutzung gewerblichen Zwecken, so ist die Übermittlung nur im Wege des Post- oder Faxversandes zulässig.“


2.11 Keine Vervielfältigung vergriffener Werke durch Bibliotheken für Endnutzer mehr?


§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. b) UrhG gestattet für den sonstigen eigenen Gebrauch die vollständige Vervielfältigung vergriffener Werke. Dies kann auch durch Dritte im Wege des Herstellenslassens geschehen. Ein Nutzer könnte sich daher ein vergriffenes Werk in einer Bibliothek ausleihen und durch einen Dienstleister vollständig reproduzieren lassen.


Es ist nicht einzusehen, warum nicht auch Bibliotheken selbst diese Dienstleitung anbieten dürfen, zumal bei seltenen und schonungsbedürftigen Werken eine Ausleihe außer Haus nicht möglich sein wird. Gerade bei solchen Werken besteht aber ein Interesse daran, dass sie etwa durch Reproduktionen weiterhin zugänglich sind. Schon im geltenden Recht ist diese Möglichkeit durch die enge Fassung des § 53a UrhG allenfalls für lokale Bibliotheksnutzer gegeben.


Mit Blick auf die Liberalisierung der Nutzung vergriffener Werke etwa für den Forschungsgebrauch in § 60c Abs. 3 UrhG-RefE sollte diese Möglichkeit auch bei der Dokumentlieferung vorgesehen werden.


Es wird daher vorgeschlagen, über die vorstehende empfohlene Änderung hinaus § 60e Abs. 5 UrhG-RefE wie folgt zu fassen:


„Auf Einzelbestellung an Nutzer übermitteln dürfen Bibliotheken Vervielfältigungen von bis zu 10 Prozent eines erschienenen Werkes, seit zwei Jahren vergriffener Werke sowie einzelner Beiträge, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind. Dient die Nutzung gewerblichen Zwecken, so ist die Übermittlung nur im Wege des Post- oder Faxversandes zulässig.“


2.12 Dokumentlieferung von eRessourcen?


Wie schon § 53a UrhG so schränkt auch § 60a UrhG-RefE die Dokumentlieferung auf eine im Sinne von § 6 UrhG erschienene Vorlage ein. Fraglich ist daher, ob eine Dokumentlieferung auf lediglich elektronisch vorliegende Quellen wie eBooks oder eJournals möglich ist. Zwar wird in der urheberrechtlichen Literatur mit guten Gründen die Ansicht vertreten, in elektronischer Form dauerhaft publizierte Veröffentlichungen auch als „erschienen“ im Sinne des Urheberrechts anzusehen (Dreier/Schulz, § 6 UrhG, 5. Aufl. 2015, Rn. 16), doch bleibt in der Praxis eine gewisse Unsicherheit bestehen, die im Zuge der Reform beseitigt werden sollte.


Mit Blick auf die berechtigten Interessen der Rechteinhaber sollte bei lediglich digitalen Vorlagen aber nur eine Lieferung in analoger Form möglich sein, damit durch die Dokumentlieferung die elektronische Fassung nicht vollständig substituiert wird.


Es wird daher vorgeschlagen, über die schon genannten Änderungen hinaus § 60e Abs. 5 UrhG-RefE wie folgt zu fassen:


„Auf Einzelbestellung an Nutzer übermitteln dürfen Bibliotheken Vervielfältigungen von bis zu 10 Prozent eines erschienenen Werkes, seit zwei Jahren vergriffener Werke sowie einzelner Beiträge, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind. Dient die Nutzung gewerblichen Zwecken, so ist die Übermittlung nur im Wege des Post- oder Faxversandes zulässig. Dies gilt auch für den Fall, dass die Vorlage für die Vervielfältigung in elektronischer Form veröffentlicht wurde.“


2.13 Keine Dokumentlieferung durch Archiv- und Museumsbibliotheken?


In § 60f Abs. 1 UrhG-RefE werden die Bestimmungen für Bibliotheken auch in anderen Bildungseinrichtungen und Gedächtnisinstitutionen mit Ausnahme von Absatz 5 für entsprechend anwendbar erklärt. Hier sollte nicht übersehen werden, dass es an den genannten Einrichtungen bedeutende Bibliotheken mit sehr speziellen Beständen gibt, die etwa im Rahmen der Dokumentlieferung eine wichtige Versorgungsfunktion haben.


Beispielhaft genannt sei die Bibliothek des Deutschen Museums in München, die mit einem Bestand von über 950.000 Medieneinheiten die Größe einer Universitätsbibliothek erreicht. An dieser Stelle zeigt sich wieder, dass der vorliegende Gesetzentwurf Begriffe wie „Bibliothek“ oder „Archiv“ nicht funktional, sondern institutionell versteht. Um den Bibliotheken der in § 60f Abs. 1 UrhG-RefE genannten Institutionen weiterhin eine aktive Teilnahme an der Dokumentlieferung zu ermöglichen, sollte § 60f Abs. 1 UrhG-RefE am Ende wie folgt gefasst werden:


„… gilt § 60e entsprechend, wobei Absatz 5 nur für die Bibliotheken dieser Einrichtungen anwendbar ist.“


2.14 Subsidiäre Generalklausel für Bildung- und Forschung


Der vorliegende Gesetzentwurf hat im Sinne der Rechtssicherheit und Anwendungsfreundlichkeit auf die Einführung einer flexiblen Generalklausel für Bildung und Wissenschaft verzichtet. Mit Blick auf künftige Bedürfnisse und um unvorhersehbare Anwendungsfälle zu erfassen, sollte, wie in der rechtspolitischen Diskussion um eine angemessene Bildungs- und Wissenschaftsschranke immer gefordert (vgl. de la Durantaye, Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke, 2014, S. 201 ff.), gleichwohl eine wenigstens subsidiäre Generalklausel eingeführt werden.


Eine solche Generalklausel hätte den Vorteil, neue Anwendungsfälle ohne Mitwirkung des Gesetzgebers praktisch umsetzen und rechtliche Zweifel gegebenenfalls gerichtlich klären lassen zu können. Damit wäre zwar eine gewisse Rechtsunsicherheit verbunden. Dies ist aber für innovative Projekte hinnehmbar, zumal sie ansonsten gar nicht oder erst nach jahrelanger Verzögerung wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen in Angriff genommen werden könnten.


Die subsidiäre Generalklausel könnte auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. a, Abs. 4 und 5 InfoSoc.-RL gestützt und als § 60i hinter § 60h UrhG-RefE eingefügt werden werden:


„Über die in diesem Unterabschnitt genannten Fälle hinaus dürfen Werke und sonstige Schutzgegenstände für Zwecke der nicht-kommerziellen wissenschaftlichen Forschung vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden, sofern die normale Verwertung des Werkes oder des sonstigen Schutzgegenstandes nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“


2.15 Sammlung und Nutzung von Netzpublikationen


In § 16a DNBG-RefE wird eine lange überfällige urheberrechtliche Grundlage für das selbständige Sammeln von Netzpublikationen durch die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) eingeführt. Die DNB ist bereits seit 2006 für die Sammlung und Bewahrung auch von Netzpublikationen zuständig. Mit der neuen Bestimmung kann sie ihrem Auftrag endlich in rechtssicherer Weise nachkommen.


Nach § 16a Abs. 1 S. 3 DNBG-RefE dürfen eingesammelte Netzpublikationen wie andere Bestandwerke genutzt werden. Das bedeutet, dass eine Terminalnutzung nach § 60e Abs. 4 UhrG-RefE zulässig ist. Problematisch ist dabei, dass die ursprünglich frei zugänglichen Netzpublikationen nach der Archivierung durch die DNB von gewerblichen Nutzern nicht mehr genutzt werden können. Nach § 60h Abs. 1 S. 1 UrhG-RefE wäre ist Nutzung der archivierten Netzpublikationen am Terminal überdies vergütungspflichtig. Das ist nicht sachgerecht, da Urheber von Netzpublikationen in aller Regel nicht an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften partizipieren. Damit ist eine Vergütung der zudem vergleichsweise wenigen Nutzungen in den Räumen der DNB sinnlos. Zudem ist die recht kostenintensive Sammlung und Erhaltung dieser Publikationen auch im Sinne der Urheber, deren Interessen damit genügend gewahrt werden.


3. Ausleihe von eBooks


Als Konsequenz der Entscheidung des EuGH vom 10. November 2016 (Vereniging Openbare Bibliotheken/Stichting Leenrecht) ist eine Ausleihe auch von eBooks europarechtlich zulässig. Es ist zu begrüßen, eine solche Möglichkeit künftig auch in Deutschland einzuführen. Da im UrhG derzeit aber kein eigenes Verleihrecht normiert ist, die Ausleihe von Büchern sich lediglich als Folge der Erschöpfung des Verbreitungsrechts darstellt, müsste für die bei der elektronischen Ausleihe erforderlichen Kopier- und Übertragungsvorgänge eine eigene Grundlage im UrhG geschaffen werden.


In diesem Zusammenhang wäre es auch zu überlegen, ob Bibliotheken nicht für die Nutzung an elektronischen Leseplätzen nach § 52b UrhG erstellte Vervielfältigungen ebenfalls verleihen können sollten. Um hier die berechtigten Interessen der Rechteinhaber zu wahren und einen deutlichen Unterschied zu einer jederzeit aufrufbaren Quelle auf einem Schriftenserver zu markieren, was ja eine europarechtlich so nicht zulässige öffentliche Zugänglichmachung wäre, müsste eine solche Ausleihe einen klar definierten Mindestzeitraum umfassen, um die Benutzungssituation gedruckter Bücher in Bibliotheken, die bei der Ausleihe außer Haus auch eine bestimmte Frist nicht verfügbar sind, abzubilden. Nur eine solche auch benutzungspraktische Gleichstellung der elektronischen mit der konventionellen Ausleihe dürfte den Vorgaben der EuGH entsprechen, der die Ausleihe lediglich mit Blick auf das Medienformat, nicht aber in ihrer Intensität ausweiten wollte.


4. Die besondere Situation von wissenschaftlichen Lehrbüchern


In §§ 52a Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 3 S. 2 UrhG werden Schulbücher besonders privilegiert, indem sie von der Schrankennutzung weitgehend ausgenommen sind. Dies soll in § 60a Abs. 3 Nr. 2 UrhG-RefE auch künftig gelten. Als Grund für diese Ausnahme wird immer der Schutz des Primärmarktes für Schulbücher angeführt. Es wird befürchtet, dass durch Kopien oder die Nutzung in virtuellen Klassenzimmern der Schulbuchabsatz gefährdet, ja unmöglich gemacht wird.


Für Lehrbücher, die in der Hochschullehre zum Einsatz kommen, werden von Verlagen seit mehreren Jahren vergleichbare Bestimmungen gefordert. Nach Ansicht der Verlage sollen die Hochschulen im Wesentlichen der einzige Primärmarkt sein, der wie bei den Schulbüchern durch Schrankennutzungen gefährdet wird.


Hier darf nicht übersehen werden, dass Lehrbücher für wissenschaftliche Themen mit Schulbüchern nicht vergleichbar sind. Lehrbücher sind in vielen Disziplinen keine bloßen Einführungswerke, sondern auch wissenschaftliche Forschungsleistungen, die jenseits der bloßen Wissensvermittlung eigene Synthesen zur fachwissenschaftlichen Diskussion darstellen. Lehrbücher sind darauf angelegt, durch intensive Lektüre und Durcharbeitung die mündliche Hochschullehre zu ergänzen, die ihrerseits die ganze Breite einer bestimmten, in einem Lehrbuch repräsentierten Disziplin gar nicht abdeckt und daher notwendigerweise der Ergänzung durch eine Lehrbuchlektüre bedarf. Aus dem wissenschaftlichen Charakter des Lehrbuchs, seinem Anspruch einer umfassenden und kohärenten Darstellung eines bestimmten Themas sowie der ein ordentliches Studium kennzeichnenden durchgehenden Lektüre dieser Werke ergeben sich gegenüber einem Schulbuch signifikante Besonderheiten, die eine Gleichsetzung verbieten.


Dies zeigt sich auch beim Primärmarkt für Lehrbücher: Als Wissenschaftspublikation wird das Lehrbuch von Bibliotheken erworben. Durch die kohärente Darstellung nutzen es aber auch Berufspraktiker und allgemein wissenschaftlich Interessierte für eine weiterbildende Lektüre. Studierende werden für die intensive Durcharbeit des Buches Wert auf ein eigenes Exemplar legen, das sie mit Anmerkungen versehen können. Im Gegensatz dazu ist ein Schulbuch aus sich selbst heraus meist nicht verständlich. Es bietet Material für den Unterricht durch eine Lehrperson und wird dabei immer nur auszugsweise genutzt. Ein Erwerb zur systematischen Durcharbeitung durch Schülerinnen und Schülern ist außer bei Primärtexten für die Lektüre, die aber keine eigentlichen Schulbücher sind, unüblich. Damit verengt sich der Markt für den Schulbuchabsatz tatsächlich auf den Bereich des unmittelbaren Unterrichtseinsatzes. Wenn dort in der Regel zudem immer nur Ausschnitte eines Schulbuches genutzt werden, ist es nachvollziehbar, dass eine gesetzliche Schrankenbestimmung, die die Nutzung genau solcher Ausschnitte gestattet, den Primärmarkt empfindlich stören kann.


In der Hochschullehre hingegen ersetzen kleine Ausschnitte aus Lehrbüchern niemals die über diesen begrenzten Einsatz in der Lehre deutlich hinausgehende Funktion dieser Art von Literatur. Wo sich in der Schule die Schulbuchnutzung im Ausschnitt praktisch erschöpft, wird in der Hochschule ein Werk für die weitere Nutzung geradezu empfohlen.


Will man gleichwohl mit den Verlagen eine besondere Schutzbedürftigkeit des Lehrbuchs annehmen und seine Nutzung von den Schrankbestimmungen weitgehend ausschließen, so liegt dem die im Übrigen unbewiesene Annahme zugrunde, dass dadurch der Absatz von Verlagsprodukten abgesichert wird. Diese Annahme ist zudem trügerisch. Sie blendet die Tatsache aus, dass Materialien für Studium und Lehre nicht mehr nur von Verlagen angeboten werden, sondern in immer größerem Maße auch frei zugänglich im Internet zu finden sind. Im Zusammenspiel mit der allgegenwärtigen Digitalisierung der alltäglichen Kommunikation und dem Aufstieg des Internet zum Leitmedium gerade jüngerer Menschen können Benutzungsverbote in Form Schrankenausnahmen sogar eine negative Wirkung für den Primärmarkt entfalten.


Anstatt nämlich bei den Verlagen durch Buchkäufe und Lizenzierungen Umsätze zu generieren, wird die Aufmerksamkeit der Lehrenden und Unterrichtsteilnehmer auf frei zugängliches Material im Internet gelenkt. Die Tatsache, dass die Diskussion um Open Educational Ressources (OER) im Schulbereich konzeptionell viel weiter ist als in der Hochschullehre, könnte sehr plausibel mit dem Verbot der Schulbuchnutzung in digitalen Arbeitsumgebungen zusammenhängen.


Überträgt man diese Beobachtung auf den Hochschulbereich, so würde eine Schrankenausnahme für Lehrbücher vermutlich nur den Effekt haben, dass Lehrende und Studierende verstärkt auf freie Online-Angebote oder einige wenige Paktangebote großer Konzernverlage zurückgreifen werden.


Die einfache und unkomplizierte Schrankennutzung hingegen gibt einer ohnehin schon sehr stark digital orientierten Studierendengeneration Gelegenheit, überwiegend allein gedruckt vorliegendes Material vor allem kleinerer Verlage überhaupt erst zur Kenntnis zu nehmen, es zu testen und dann – nicht selten durch eigene Käufe – intensiv zu nutzen.


Angesichts des rasanten Medienwandels müsste es im vitalen Interesse der Verlage sein, dass ihre Erzeugnisse nicht unsichtbar werden. Durch klare und unbürokratisch zu nutzende Schrankenbestimmungen kann hierfür ein wichtiger Rahmen bereitgestellt werden. Lehrende können sich dann allein auf inhaltliche Aspekte konzentrieren, anstatt Abrechnungsmasken auszufüllen oder nach parallelen Verlagsangeboten zu recherchieren. Eine einfache Basisnutzung in einem klar definierten Umfang sichert Verlagen die Wahrnehmbarkeit im digitalen Zeitalter.


5. Der Vorrang von Verlagsangeboten und einzelfallbezogene Vergütungen


Aus dem Vorstehenden wird auch ersichtlich, dass ein Vorrang von Verlagsangeboten oder eine einzelfallbezogene Vergütung in der Praxis nur dazu führen werden, die Schrankennutzung kompliziert und bürokratisch, mithin unattraktiv zu gestalten. Nicht nur muss die erfolgte Nutzung genau dokumentiert und ein entsprechendes Budget für Vergütungen verwaltet werden, es muss vorher auch recherchiert werden, ob Verlage eigene Angebote machen und anschließend noch bewertet werden, ob diese Angebote im konkreten Einzelfall auch angemessen sind. Neben dem dafür erforderlichen Zeitaufwand tritt durch die Frage der Angemessenheit des Angebotes noch die Unsicherheit eines mit dem Risiko einer juristischen Ausweinandersetzung belasteten unbestimmten Rechtsbegriffs.


Der von den Verlagen durch einen Vorrang ihrer Angebote sowie eine nutzugsbezogene Einzelabrechnung intendierte Effekt einer Umsatzsteigerung ist hier, wie bereits bei der möglichen Bereichsausnahme für Lehrbücher schon angedeutet, überaus unsicher. Gerade für die Hochschullehre werden Lehrende lieber zu freien oder selbst erstellten Materialien greifen sowie die an allen Hochschulen gut vorhandenen Angebote und Pakete einiger weniger sehr großer Wissenschaftsverlage nutzen.


Leidtragende dieser Entwicklung werden vor allem die kleinen und mittleren deutschen Wissenschaftsverlage sein, deren Produktion in einer zunehmend digital geprägten Lern- und Forschungsumgebung zunehmend unsichtbar wird. Der vorliegende Gesetzentwurf wird, indem er auf einen Verlagsvorbehalt genauso wie auf eine Einzelabrechnung verzichtet, nicht nur dem öffentlichen Interesse an der einfachen Nutzung von Bildungs- und Wissenschaftsinhalten gerecht, sondern auch dem ebenfalls öffentlichen Interesse an einer vielfältigen Verlagslandschaft und deren Überleben bzw. Transformation im digitalen Zeitalter.


Er erfüllt damit auch in hohem Maße die Anforderungen des europarechtlichen Drei-Stufen-Tests in Art. 5 Abs. 5 der InfoSoc-RL. Die normale Verwertung eines Werkes, die durch urheberrechtliche Schrankenbestimmungen nicht beeinträchtigt werden darf, kann nämlich nicht nur durch die bloße Existenz einer Schranke, sondern auch durch ihre unbedachte, die aktuelle mediale Situatione ausblendende Ausgestaltung gefährdet werden.


6. Fazit

Der Referentenentwurf des UrhWissG verdient Zustimmung und Unterstützung. Lediglich bei § 60e UrhG sind einige Korrekturen erforderlich, damit die neue Rechtslage kein Rückschritt gegenüber dem geltenden Recht darstellt. Wird dies beachtet, sollte der Entwurf auch im Interesse einer Befriedung der jahrelang schwelenden Urheberrechtskonflikte an den Hochschulen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen zügig umgesetzt werden.