Nachdem die FAZ in der Samstagsausgabe vollkommen haltlos den Tod der freien Presse durch die geplante Novelle im Wissenschaftsurheberrecht herbeiphantasiert hat, hat die BILD am Montag die Sache aufgenommen und die sinnfreien Ausführungen der FAZ wiederholt.
Im Nachgang gab es auf Twitter eine rege Diskussion mit Ralf Schuler, dem Berliner Parlamentsredakteur der BILD, der für den Artikel verantwortlich zeichnet. Immerhin! Denn die FAZ bedient war gerne soziale Medien als Contentschleuder für ihre Artikel, reagiert jedoch selbst nicht auf öffentliche Kritik.
Schuler fand die Darstellung in der FAZ ok, die Auseinandersetzung mit den fachlichen Argumenten hier im Blog jedoch zu anstrengend. Sind ja auch lange Beiträge. Klar. Urheberrecht ist halt kein umstrittener Handelfmeter.
Um die Sache etwas plastischer zu machen, sei einmal Folgendes angenommen: Herr Schuler will jetzt doch die Sachen hier im Blog gründlich lesen, auch um Ende der Woche einen neuen Beitrag in BILD zu verfassen. Er möchte die Informationen hier also beruflich nutzen. Um alles bequemer lesen zu können, druckt er sich in seinem Berliner Büro einen Beitrag aus.
Urheberrechtlich greift er damit in mein mir als Urheber ausschließlich zustehendes Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG ein. Da der Beitrag unter keiner freien Lizenz steht und ich mit Herrn Schuler auch keine Nutzungsrechtsvereinbarung abgeschlossen habe, bleibt nur noch die Kopierschranke des § 53 UrhG, um den Ausdruck zu rechtfertigen.
Da Herr Schuler meinen Beitrag aber beruflich nutzen will, kann er sich weder auf eine Privatkopie nach § 53 Abs. 1 UrhG noch auf einen eigenen wissenschaftlichen Gebrauch nach § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UrhG berufen. Übrig bleibt nur der sonstige eigene Gebrauch. Danach muss es sich bei dem Blog-Beitrag um kleine Teile eines erschienenen Werkes handeln, denn nach dem Gesetz dürfen für berufliche Zwecke nur erschienene Werke vervielfältigt werden.
Nach § 6 Abs. 2 S. 1 UrhG ist ein Werk erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten (das bin in diesem Fall ich selbst) Vervielfältigungsstücke des Werkes in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten worden oder in Verkehr gebracht worden sind. Das Dumme ist nur, mein Blog ist bloß digital und gibt es nur im Netz. Als flüchtige Netzressource, die auf keinem stabilen Repositorium oder Verlagsserver liegt, ist es nach wohl herrschender Meinung in der Urheberrechtswissenschaft bloß ein veröffentlichtes Werk im Sinne von § 6 Abs. 1 UrhG, vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 6, Rn. 16 sowie Marquardt, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 6, Rn. 29.
Damit kann sich Herr Schuler aber nicht mehr auf § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a UrhG berufen und sein aus beruflichen Gründen angefertigter Ausdruck ist eine Raubkopie! Nach § 106 Abs. 1 UrhG hat er sich sogar strafbar gemacht.
Wenn Herr Schuler, weil er diesen Blogbeitrag hier kurios findet, einen Ausdruck davon als nette Erinnerung an eine lustige Twitter-Unterhaltung und ihre Folgen anfertigt und seiner Familie zeigen möchte, so wäre dies hingegen eine legale Privatkopie nach § 53 Abs. 1 UrhG.
Und wenn Herr Schuler diese Unterscheidung bescheuert und nicht nachvollziehbar findet, dann beginnt er vielleicht zu verstehen, warum das geltende Urheberrecht im digitalen Zeitalter noch lange nicht angekommen und total lebensfremd ist und warum es Bildung und Wissenschaft so wichtig ist, dass hier endlich notwendige Reformen angepackt werden.
Und die Aufregung der FAZ? Alles nur Fake? Ja und nein. Bemerkenswert ist, dass die allermeiste Kritik, die man am UrhWissG übt, Nutzungen betrifft, die nach geltendem Recht schon lange legal sind. Offenbar bemerkt man diese Nutzungsmöglichkeiten erst jetzt im Gewand des neuen Rechts. Eigentlich klasse, sind die neuen Vorschriften doch mit dem Anspruch angetreten, das geltende Recht verständlicher und übersichtlicher zu machen. So gesehen zeigt die Kritik von FAZ und BILD vor allem eins: Das UrhWissG ist ein gutes Gesetz, denn es funktioniert! Die Beiträge in der Presse der letzten Tage sind dafür der beste Beweis. Also dann: Herzlichen Dank!!